Mehr Feiertagsausgleiche: Wie Ausgleichstage das deutsche Wirtschaftswachstum um bis zu 0,3 Prozentpunkte drücken könnten
Was bedeutet es für die Konjunktur, wenn künftig mehr Feiertagsausgleiche – also freie Tage als Kompensation für auf Wochenenden fallende Feiertage – eingeführt würden? Rechenmodelle von Ökonomen legen nahe, dass jeder zusätzliche arbeitsfreie Tag das deutsche Bruttoinlandsprodukt (BIP) um grob 0,1 Prozentpunkte senken kann. Über mehrere Ausgleichstage hinweg summiert sich das schnell auf etwa 0,3 Prozentpunkte – ein Unterschied, der in einer ohnehin schwachen Konjunktur zwischen Stagnation und zartem Wachstum entscheiden kann.
Für Anleger stellt sich unmittelbar die Frage: Welche Aktien würden unter mehr Ausgleichstagen leiden – und wer könnte sogar profitieren? Zyklische Industrie, klassische Konsumwerte und Logistik dürften eher verlieren, während Freizeit-, Tourismus- und Plattformunternehmen tendenziell profitieren könnten.
Der ökonomische Streit um Feiertage, Kalendereffekte und Wachstum
Der aktuelle Diskurs in Medien und Wirtschaft kreist nicht wörtlich um „Feiertagsausgleicher“, aber sehr klar um denselben Kern: Wie stark beeinflussen zusätzliche oder wegfallende Arbeitstage das Wachstum? Genau hier knüpft die Frage nach Ausgleichstagen an.
Ökonomen und Institute nutzen seit Jahren einfache Faustregeln: Ein zusätzlicher Arbeitstag kann das deutsche BIP um rund 0,1 Prozentpunkte steigern – was in Geld gemessen 5 bis 8,6 Milliarden Euro zusätzlicher Wirtschaftsleistung entspricht, wie das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW) vorrechnet.[8][5] Umgekehrt gilt dann spiegelbildlich: Ein zusätzlicher freier Tag kann das Wachstum um diesen Betrag reduzieren.
Diese Logik steckt auch hinter jüngsten Prognosen: Für das Jahr 2026 erwarten unter anderem das Institut der deutschen Wirtschaft Köln und andere Ökonomen ein Wachstum von rund 0,9 %, wobei sie explizit betonen, dass etwa ein Drittel davon auf mehr Arbeitstage zurückzuführen sei, weil mehrere Feiertage aufs Wochenende fallen.[2][5] Fallen diese freien Tage künftig nicht mehr „stillschweigend“ weg, sondern werden durch Ausgleichstage kompensiert, kehrt sich dieser positive Kalendereffekt in einen negativen um.
Was genau sind „Feiertagsausgleicher“ – und warum wären sie makroökonomisch relevant?
Unter „Feiertagsausgleich“ wird in der politischen Diskussion meist verstanden, dass gesetzliche Feiertage, die auf ein Wochenende fallen, unter der Woche nachgeholt werden. Genau das fordern etwa Vertreterinnen der Grünen und Linken für Deutschland: Feiertage, die auf Samstag oder Sonntag fallen, sollen Beschäftigten an einem anderen Werktag gutgeschrieben werden.[6]
Hintergrund dieser Forderung ist ein Gerechtigkeitsargument: Beschäftigte verlieren de facto Feiertage, wenn diese aufs Wochenende fallen, während die Wirtschaft „gratis“ mehr Arbeitstage erhält. 2026 steigt die Zahl der durchschnittlichen Arbeitstage in Deutschland auf 250,5 – 2,4 Tage mehr als 2025, das nur 248,1 Arbeitstage hatte.[5][2] Dieser reine Kalendereffekt trägt signifikant zu den Wachstumsprognosen bei. Würden alle Wochenend-Feiertage per Gesetz ausgeglichen, gingen diese zusätzlichen Arbeitstage als Wachstumstreiber verloren – oder würden sogar in zusätzliche freie Tage umschlagen.
Makroökonomisch bedeutet das:
- Jeder nachgeholte Feiertag reduziert die jährliche Anzahl der Arbeitstage.
- Auf Basis der IW-Faustregel wären drei Ausgleichstage in einem Jahr plausibel mit bis zu 0,3 Prozentpunkten weniger Wachstum verbunden.[8][5]
- Gerade in Jahren mit ohnehin schwacher Konjunktur können diese 0,3 Punkte den Unterschied zwischen +0,5 % und +0,2 % Wachstum ausmachen – oder sogar über die Frage entscheiden, ob Deutschland technisch in der Rezession verharrt.
Die Zahlen: Wie Institute die Wirkung eines Feiertags beziffern
Mehrere renommierte Institutionen haben in den vergangenen Monaten und Jahren Berechnungen zur Wirkung von zusätzlichen oder gestrichenen Feiertagen veröffentlicht. Sie liefern den quantitativen Hintergrund für die These, dass mehr Feiertagsausgleiche das Wachstum um bis zu 0,3 Prozentpunkte drücken könnten.
Die IW-Perspektive: Ein Arbeitstag = bis zu 8,6 Milliarden Euro
Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) beziffert den zusätzlichen Wertschöpfungsbeitrag eines Arbeitstages mit bis zu 8,6 Milliarden Euro bzw. etwa 0,1 Prozentpunkten des BIP.[8][5] Grundlage ist eine einfache Produktionslogik: In Branchen mit hoher Kapazitätsauslastung (Industrie, Exportsektor, professionelle Dienstleistungen) wird an zusätzlichen Werktagen mehr produziert und fakturiert. Diese Sicht stützt auch die Einschätzung vieler Chefvolkswirte, die 2026 ein spürbares Wachstum plus aufgrund „mehr Arbeitstagen“ erwarten.[2]
Politische Stimmen greifen diese Zahlen offensiv auf: So argumentieren konservative Vertreter, Deutschland könne sich angesichts niedrigen Wachstums „keine Feiertags-Mentalität“ leisten, und verweisen ebenfalls auf die Größenordnung von 8,6 Milliarden Euro Produktionsausfall pro Feiertag.[6] In der internationalen Debatte wird gerne auf Dänemark verwiesen, wo durch die Streichung eines Feiertags rund 400 Millionen Euro zusätzliche Einnahmen in den Staatshaushalt geflossen sein sollen.[3]
IMK und Hans-Böckler-Stiftung: Empirie gegen die einfache „Feiertag = Wachstum“-Gleichung
Der Befund ist allerdings alles andere als unumstritten. Das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung hat sechs Fälle in Deutschland untersucht, in denen in den letzten 30 Jahren Feiertage in einzelnen Bundesländern abgeschafft oder neu eingeführt wurden.[1][5] Das Ergebnis ist ernüchternd für die einfache BIP-Logik:
- In gut der Hälfte der Fälle schnitten die Bundesländer mit mehr Feiertagen wirtschaftlich sogar besser ab als jene mit weniger Feiertagen.[1]
- Ein prominentes Beispiel: Sachsen behielt 1995 den Buß- und Bettag als Feiertag, während andere ostdeutsche Länder ihn strichen. Trotzdem wuchs Sachsens BIP 1995 nominal deutlich stärker als im Bundesschnitt und auch stärker als in Sachsen-Anhalt und Thüringen, die den Feiertag abgeschafft hatten.[1]
- Die Forscher folgern: Es gibt keinen belastbaren empirischen Beleg dafür, dass die Abschaffung von Feiertagen das Wachstum systematisch erhöht.[1]
Die IMK-Forscher liefern auch eine Erklärung: In modernen Volkswirtschaften werden Aufträge, Schichten und Projekte so geplant, dass Feiertage relativ gut kompensiert werden. Die Unternehmen verlagern Produktion und Dienstleistungen zeitlich; zugleich könnte weniger Erholungszeit die Produktivität senken.[1] Die saldierte Jahreswirkung eines gestrichenen oder eines nachgeholten Feiertags ist damit deutlich unklarer als einfache Tagesrechnungen suggerieren.
Neue Wissenspunkte: Verteilung, Sektoreffekte, Timing
Aus der aktuellen Forschung und Berichterstattung ergeben sich mindestens drei neue, oft unterschätzte Aspekte, die für die Debatte um Feiertagsausgleicher entscheidend sind:
- 1. Nicht jeder zusätzliche Arbeitstag wirkt gleich stark. IW-Forscher betonen selbst, dass der Effekt je nach Branche, Auslastung und saisonalen Bedingungen stark variiert: Ein zusätzlicher Winterarbeitstag in der Bauwirtschaft bringt weniger als einer im Sommer, weil bei Eis und Schnee viele Kapazitäten ohnehin stillstehen.[3][5]
- 2. Die Verteilung zwischen Branchen ist entscheidend. Exportorientierte Industrie und Business-Services profitieren stärker von zusätzlichen Arbeitstagen, während Tourismus, Gastronomie und Freizeitwirtschaft von Feiertagen und Ausgleichstagen eher profitieren, weil Konsum zeitlich verschoben wird.[3]
- 3. Kalendereffekte beeinflussen auch die Fiskalpolitik. Mehr Arbeitstage erhöhen tendenziell Steueraufkommen und Sozialbeiträge; umgekehrt reduzieren zusätzliche Ausgleichstage kurzfristig diese Einnahmen. In Dänemark wurde die Streichung eines Feiertags explizit als Instrument zur Erhöhung der Staatseinnahmen genutzt – ein Aspekt, der in Deutschland in der Debatte um Ausgleichstage bisher nur am Rande thematisiert wird.[3]
Politische Debatte: Zwischen „Feiertags-Mentalität“ und Work-Life-Balance
In der politischen Arena prallen zwei Narrative aufeinander, die für die Frage nach möglichen Feiertagsausgleichern zentral sind.
Pro mehr Arbeitstage: „Wachstum, Wettbewerbsfähigkeit, Haushaltsdisziplin“
Auf der einen Seite stehen wirtschaftsnahe Institute und konservative Politikerinnen und Politiker, die vor einem „zu niedrigen“ Wachstum und einer „Feiertags-Mentalität“ warnen.[6] Sie argumentieren im Kern:
- Deutschland hat ein strukturelles Wachstumsproblem und kann sich keine weitere Reduzierung der Arbeitszeit leisten.
- Jeder zusätzliche Ausgleichstag kostet Milliarden an Wirtschaftsleistung und Steuereinnahmen.
- Um Wettbewerbsfähigkeit, Sozialstaat und Energiewende zu finanzieren, braucht es mehr, nicht weniger Arbeitstage.
In diesem Lager werden Ausgleichstage für Wochenend-Feiertage meist abgelehnt; vereinzelt wird sogar die Streichung mindestens eines bundeseinheitlichen Feiertags gefordert, um das Arbeitsangebot zu erhöhen.[3][8]
Pro Feiertagsausgleich: „Gerechtigkeit und Produktivität“
Auf der anderen Seite fordern insbesondere Grüne und Linke, Wochenend-Feiertage künftig nachzuholen.[6] Ihre Argumentationslinie lautet:
- Beschäftigte verlieren real Feiertage, wenn diese aufs Wochenende fallen, während Unternehmen mehr Produktivität erhalten, ohne höher zu bezahlen.
- Mehr Erholungstage können langfristig die Produktivität, Gesundheit und Zufriedenheit der Beschäftigten steigern.
- Die empirische Evidenz spricht gegen die Behauptung, dass weniger Feiertage automatisch mehr Wachstum bringen.[1][5]
In dieser Logik wären Feiertagsausgleicher kein Luxus, sondern ein Korrektiv, das die Erträge aus Kalendereffekten fairer zwischen Kapital und Arbeit verteilt. Die direkte BIP-Wirkung wäre zwar negativ, aber könnte langfristig durch höhere Produktivität, geringeren Krankenstand und höhere Konsumfreude teilweise kompensiert werden.
Branchen- und Unternehmensfolgen: Wer würde bei mehr Feiertagsausgleich verlieren, wer gewinnen?
Für Anleger ist weniger relevant, ob das BIP um 0,2 oder 0,3 Punkte steigt oder fällt – entscheidend ist, wo diese Effekte spürbar werden. Mehr Ausgleichstage verschieben Wertschöpfung, Konsum und Freizeit in der Volkswirtschaft. Das führt zu klaren Gewinnern und Verlierern auf Branchenebene.
Potenzielle Verlierer: Industrie, Logistik, Business-Services
Besonders anfällig für zusätzliche Ausgleichstage sind Sektoren, in denen:
- Kapazitäten heute bereits hoch ausgelastet sind,
- Wertschöpfung stark an tatsächliche Arbeitsstunden gebunden ist und
- Projekte oder Lieferketten wenig flexibel umterminiert werden können.
Dazu zählen vor allem:
- Zyklische Industrie und Exportsektor
Unternehmen aus Maschinenbau, Automobil, Chemie und Industrieausrüstung könnten durch zusätzliche Ausgleichstage kurzfristig weniger produzieren und ausliefern. Gerade bei knappen Fachkräften lässt sich die verlorene Arbeitszeit nicht beliebig über Mehrarbeit kompensieren. DAX-Werte aus diesen Segmenten wären bei einem politischen Trend zu mehr Feiertagsausgleich eher Kandidaten zum Halten oder selektiven Reduzieren. - Logistik und Transport
Zwar kann ein Teil der Logistik an Feiertagen weiterlaufen, aber zusätzliche gesetzliche Ausgleichstage verteuern Personal, Schichtzuschläge und Planung. Paketdienste, Speditionen und Güterbahnen dürften tendenziell unter höheren Personalkosten und geringerer Flexibilität leiden. - Beratungs- und Business-Services
Projektbasierte Dienstleister können Arbeit zwar umverteilen, stoßen aber bei engen Deadlines und international abgestimmten Timelines an Grenzen. Zusätzliche Ausgleichstage erhöhen die Notwendigkeit teurer Überstunden oder verschieben Projekte, was Margen drückt.
Potenzielle Gewinner: Freizeit, Tourismus, Konsum, Plattformen
Auf der anderen Seite entstehen bei mehr Ausgleichstagen zusätzliche Konsum- und Freizeitfenster:
- Freizeit-, Tourismus- und Hospitality-Sektor
Mehr planbare freie Tage bedeuten mehr Kurzreisen, Restaurantbesuche, Freizeitparks und Kulturangebote. Betreiber von Hotels, Ferienanlagen, Kreuzfahrtanbietern und Freizeitparks würden profitieren. In Deutschland und Europa notierte Touristik- und Airline-Werte könnten bei einer politischen Tendenz zu mehr Feiertagsausgleichen zu relativen Gewinnern avancieren. - Einzelhandel und E-Commerce
Ein Teil des Konsums wird zeitlich verschoben – etwa in die Tage vor und nach Ausgleichstagen. Profiteure sind insbesondere Online-Händler und Plattformunternehmen, die von spontanen Käufen und höherer Verweildauer profitieren. - Digitale Plattformen und Entertainment
Mehr Freizeit bedeutet mehr Streaming, Gaming, Social Media, digitale Inhalte. Zwar sind diese Effekte volkswirtschaftlich kleiner als Industrie-Output, auf Unternehmens- und Kursniveau können sie aber signifikant sein.
Makroökonomische Vor- und Nachteile für die deutsche Wirtschaft
Ob zusätzliche Feiertagsausgleiche unter dem Strich positiv oder negativ sind, hängt von der Perspektive ab. Für die Gesamtwirtschaft lassen sich klare Chancen und Risiken benennen.
Volkswirtschaftliche Vorteile
- Stärkere Erholung und Produktivität
Mehr planbare freie Tage verbessern Work-Life-Balance, reduzieren Burn-out-Risiken und können die langfristige Produktivität stützen – ein Aspekt, den die IMK-Forschung implizit betont: Weniger Erholungszeit kann Produktivität senken und den erwarteten BIP-Zuwachs durch zusätzliche Arbeitstage neutralisieren.[1] - Mehr Konsum im Freizeit- und Tourismussektor
Feiertage und Ausgleichstage verlagern Konsum in Freizeit- und Dienstleistungen. In einer alternden Gesellschaft mit wachsendem Dienstleistungsanteil kann dies strukturell sinnvoll sein. - Attraktivität des Arbeitsstandorts
In einem globalen Fachkräftemangel sind weiche Standortfaktoren – inklusive Freizeit, Planbarkeit und Lebensqualität – für Hochqualifizierte zunehmend relevant. Ein System mit Ausgleichstagen könnte den Standort Deutschland für international mobile Talente attraktiver machen.
Volkswirtschaftliche Nachteile
- Kurzfristig geringeres reales BIP
Nimmt man die IW-Faustregel ernst, kosten drei zusätzliche Ausgleichstage rund 0,3 Prozentpunkte Wachstum – ein relevanter Betrag in einer Phase schwacher Konjunktur.[8][5] - Niedrigere Steuereinnahmen und Sozialbeiträge
Weniger Wertschöpfung bedeutet kurzfristig geringere Einnahmen für Staat und Sozialversicherungen. Angesichts hoher Investitionsanforderungen (Energie, Verteidigung, Digitalisierung) könnte das die fiskalischen Spielräume weiter einengen. - Wettbewerbsnachteile für Industrie
Für global konkurrenzfähige, aber margenknappe Industrieunternehmen erhöhen zusätzliche Ausgleichstage die Lohnstückkosten, wenn sich die geringere Arbeitszeit nicht vollständig in höherer Produktivität spiegelt. Hier droht eine schleichende Erosion der Wettbewerbsfähigkeit.
Szenarien: Wie realistisch sind 0,3 Prozentpunkte weniger Wachstum durch Feiertagsausgleich?
Um die Größenordnung von 0,3 Prozentpunkten einzuordnen, lohnt ein Blick auf plausible Szenarien:
- Szenario 1: Volle Kompensation aller Wochenend-Feiertage
In Jahren wie 2026, in denen mehrere Feiertage auf Wochenenden fallen, könnte ein Gesetz zum vollständigen Nachholen dieser Tage schnell 3–4 zusätzliche Ausgleichstage erzeugen.[5][7] Auf Basis der IW-Schätzungen wären das bis zu 0,3–0,4 Prozentpunkte weniger Wachstum. - Szenario 2: Teilweiser Ausgleich (z. B. nur zentrale Feiertage)
Würden nur einige zentrale Feiertage (z. B. Tag der Deutschen Einheit, Weihnachten) nachgeholt, wäre die BIP-Wirkung geringer – etwa 0,1–0,2 Prozentpunkte pro Jahr, je nach Kalenderlage. - Szenario 3: Ausgleich über Arbeitszeitflexibilisierung
Unternehmen könnten versuchen, zusätzliche Ausgleichstage durch flexiblere Arbeitszeitmodelle (z. B. Gleitzeitkonten, Homeoffice, Verdichtung) zu kompensieren. In diesem Fall würde der reale Output weniger stark sinken, während der subjektiv empfundene Freizeitgewinn für Beschäftigte dennoch steigt – ein Szenario, das die IMK-Evidenz teilweise erklärt.[1]
Die Kurzstudie des IMK und die Berechnungen des IW Köln zeigen gemeinsam, dass die „0,3 Prozentpunkte weniger Wachstum“ ein oberes, modellbasiertes Szenario darstellen – und nicht zwingend realisiert werden müssen, wenn Produktivitätseffekte, Arbeitszeitflexibilität und sektorale Verschiebungen berücksichtigt werden.
Konkrete Investment-Implikationen: Kaufen, halten, verkaufen?
Unter Annahme eines politischen Trends zu mehr Feiertagsausgleich (z. B. Nachholung von Wochenend-Feiertagen) lassen sich für Anleger mehrere Strategien ableiten.
Welche Aktien eher kaufen?
- Tourismus- und Freizeitunternehmen
Mehr planbare Ausgleichstage stützen Reise- und Freizeitnachfrage. Titel aus den Segmenten Touristik, Freizeitparks, Kreuzfahrten, Hotels und Gastronomie dürften strukturell profitieren. Auf europäischer Ebene zählen große touristische Konzerne und Buchungsplattformen zu den relativen Gewinnern. - Plattformen, E-Commerce und digitale Unterhaltung
Zusätzliche freie Tage fördern Online-Shopping, Streaming und Gaming. Plattformunternehmen und digitale Entertainment-Anbieter sind daher Kandidaten für antizyklische Käufe, wenn die Marktstimmung wegen schwächerer Wachstumszahlen gedrückt ist. - Defensive Konsumwerte
Lebensmittel- und Basiskonsumhersteller profitieren nur moderat, aber stabil: Feiertagsausgleich verschiebt den Konsum eher zeitlich, als ihn zu reduzieren. Hier bieten sich „Buy-and-Hold“-Strategien an.
Welche Aktien eher halten?
- Qualitätsindustrie mit hoher Preissetzungsmacht
Unternehmen aus Maschinenbau, Premium-Automobil und spezialisierter Chemie können zusätzliche Lohnkosten eher über Preise und Effizienzhebel kompensieren. Hochmargige, global diversifizierte Player aus diesen Bereichen eignen sich zum Halten, selbst wenn zusätzliche Ausgleichstage in Deutschland kurzfristig belasten. - Infrastruktur- und Energieunternehmen
Diese Segmente sind nur begrenzt von Feiertagsausgleich betroffen; Nachfrage ist relativ stabil. Kursreaktionen auf das Thema dürften gering sein, sodass Halten sinnvoll erscheint.
Welche Aktien eher reduzieren oder meiden?
- Zyklische Industrie ohne starke Margen
Unternehmen mit hoher Fixkostenbasis, geringer Preissetzungsmacht und stark deutschlandzentrierter Produktion trifft ein zusätzlicher Ausgleichstag überproportional: weniger Produktion, gleiche Fixkosten, steigende Lohnstückkosten. Hier bieten sich eher Reduzierungen an, insbesondere wenn sich politisch eine Ausweitung der Ausgleichstage abzeichnet. - Logistik- und Personaldienstleister mit knappen Margen
Zusätzliche freie Tage bedeuten oft teurere Schichtmodelle, Überstunden und höhere Planungskosten. Wo Preiserhöhungen schwer durchzusetzen sind, droht Margendruck – ein Argument für Vorsicht oder selektive Verkäufe.
Für tiefergehende ökonomische Einschätzungen zum Zusammenhang von Arbeitstagen und Wachstum lohnt ein Blick in die Berichterstattung von ZDFheute, die die jüngsten Prognosen der Institute einordnet.
Am Ende läuft die Debatte über Feiertagsausgleicher auf eine bewusste Abwägung hinaus: Deutschland kann über mehr Ausgleichstage kurzfristig durchaus bis zu 0,3 Prozentpunkte Wachstum verlieren – gewinnt dafür aber an Lebensqualität, Freizeit und potenziell an langfristiger Produktivität. Für Anleger bedeutet das: zyklische, arbeitsintensive Geschäftsmodelle mit starker Inlandsabhängigkeit sollten kritisch überprüft und eher reduziert werden, während Tourismus-, Freizeit-, Konsum- und Plattformwerte in einem Umfeld wachsender Freizeitfenster interessante Kaufgelegenheiten bieten. Für die Gesamtwirtschaft überwiegen kurzfristig die Nachteile – geringeres BIP, engere Haushaltslage, Wettbewerbsdruck auf die Industrie. Mittel- bis langfristig könnte ein klug gestalteter Ausgleichsmechanismus aber zu einer produktiveren, gesünderen und innovationsfreundlicheren Arbeitswelt beitragen, sofern Unternehmen Arbeitszeitflexibilität, Automatisierung und Produktivitätsschübe konsequent nutzen. Anleger sollten die politische Entwicklung genau beobachten: Kommt ein gesetzlicher Ausgleich von Wochenend-Feiertagen, ist mit temporär schwächeren Wachstumszahlen, aber strukturellen Chancen in Freizeit- und Digitalbranchen zu rechnen – eine Verschiebung, die sich im Portfolio bewusst abbilden lässt.



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