Ifo-Institut warnt: Anhaltender Stellenabbau in der Industrie – wie die schwache Konjunktur den Arbeitsmarkt umbaut

Ifo-Institut warnt: Anhaltender Stellenabbau in der Industrie – wie die schwache Konjunktur den Arbeitsmarkt umbaut

Während der DAX nahe Rekordständen notiert, sendet der deutsche Arbeitsmarkt ein ganz anderes Signal: Das ifo-Beschäftigungsbarometer ist im Dezember 2025 auf den niedrigsten Stand seit Mai 2020 gefallen – und nahezu alle Industriebranchen melden weiteren Stellenabbau aufgrund der schwachen Konjunktur.[1] Welche Branchen geraten jetzt besonders unter Druck, wo entstehen trotzdem neue Jobs – und welche Aktien könnten Anleger meiden oder gezielt einsammeln?

Fest steht: Klassische zyklische Industrie- und Konsumwerte geraten ins Hintertreffen, während Tourismus, Beratung und selektive Qualitätswerte mit hoher Produktivität und starker Bilanz strukturelle Gewinner dieser Phase werden dürften.[1][4]

Der Befund des ifo-Instituts: Arbeitsmarkt im „Stellenabbau-Modus“

Das ifo-Institut erhebt monatlich sein Beschäftigungsbarometer, eine Umfrage unter mehreren tausend Unternehmen zu ihren Personalplanungen. Im Dezember fiel der Index auf 91,9 Punkte – von 92,5 im November – und markiert damit den tiefsten Wert seit der ersten Corona-Welle im Mai 2020.[1][5] Laut ifo-Umfrageleiter Klaus Wohlrabe erlebte Deutschland 2025 „vor allem in der Industrie einen schleichenden Stellenabbau“, gebremst durch eine seit Jahren schwache Konjunktur.[1][5]

Die Kernaussage der ifo-Ökonomen:

  • Unternehmen bauen überwiegend Stellen ab und sind bei Neueinstellungen zurückhaltend.[1][3]
  • Nahezu alle Industriezweige planen eine Fortsetzung des Abbaus.[5]
  • Nur wenige Segmente – etwa Tourismus und Unternehmensberatungen – wollen Personal aufstocken.[1][4]

Damit bestätigt das ifo-Institut, was sich bereits über das Jahr hinweg abzeichnete: Der Arbeitsmarkt ist von der rezessiven bzw. stagnierenden Konjunktur nun klar erfasst. Der Abbau erfolgt allerdings nicht in Form plötzlicher Massenentlassungen, sondern als stetiger, „schleichender“ Prozess.

Industrie unter Druck: Stellenabbau quer durch alle Branchen

Besonders gravierend ist die Lage im verarbeitenden Gewerbe. Das ifo-Institut spricht davon, dass in der Industrie „nahezu alle Branchen den Stellenabbau fortsetzen“.[1][4] Eine Hauptursache sei die schon länger anhaltende Schwäche des Sektors, insbesondere belastet durch hohe Energiepreise, globale Nachfrageschwäche und Investitionszurückhaltung.[5]

Im Detail zeigen die Umfragen:

  • Bekleidungshersteller gehören zu den Branchen mit den deutlichsten Abbauplänen.[1][3]
  • In allen zentralen Industriebranchen gab es zuletzt mehr Entlassungen als Neueinstellungen.[6]
  • Das Barometer der Industrie signalisiert weiter Netto-Stellenabbau, auch wenn sich die Dynamik phasenweise etwas abschwächt.[6]

Neu und relevant für Investoren sind hier drei Punkte:

  • Der Abbau erstreckt sich nicht nur auf klassische „Problembranchen“ wie Automobilzulieferer oder Textil, sondern wird als breit über die Industrie verteilt beschrieben.[5]
  • Selbst bei leichtem Aufhellen der Konjunktur halten viele Unternehmen an vorsichtigen Personalplänen fest – ein Hinweis darauf, dass Produktivitätssteigerung und Automatisierung Vorrang vor Neueinstellungen haben.[1][6]
  • Der Stellenabbau fällt häufig mit Strukturwandel zusammen: Transformation zur Elektromobilität, De-Globalisierung, Digitalisierung – all das verschiebt Beschäftigungsmuster dauerhaft, nicht nur konjunkturell.

Für börsennotierte Unternehmen bedeutet diese Gemengelage: Kostensenkungsprogramme und Effizienzsteigerungen stützen kurzfristig die Margen, mittel- bis langfristig signalisiert der Stellenabbau jedoch ein schwieriges Nachfrageumfeld, das vor allem stark zyklische Titel belastet.

Dienstleistungen, Handel, Bau: Wo die Beschäftigung stagniert – und wo sie wächst

Das Bild außerhalb der Industrie ist heterogen. Laut ifo bleiben Dienstleister und Handelsunternehmen bei Neueinstellungen zurückhaltend oder planen sogar mit weniger Personal.[1][3] Im Baugewerbe halten sich positive und negative Erwartungen dagegen die Waage.[1][5]

Die wichtigsten Beobachtungen:

  • Dienstleistungen: Das Beschäftigungsbarometer rutschte im Sommer 2025 zeitweise in den negativen Bereich – ein Zeichen, dass Entlassungen die Neueinstellungen überstiegen.[6] Besonders betroffen sind Leiharbeitsfirmen, die mit einer Nachfrageflaute kämpfen.[6]
  • Handel: Der Stellenabbau setzt sich fort, wenn auch zuletzt weniger stark.[6] Strukturell spielt hier der Druck durch E-Commerce, Margendruck und Konsumzurückhaltung eine entscheidende Rolle.
  • Bau: Das Bauhauptgewerbe plant mit einem weitgehend konstanten Personalstamm – trotz höher Zinsen und Immobilienkrise.[1][6] Das spricht dafür, dass Unternehmen Fachkräfte halten wollen, um nicht in den nächsten Aufschwung hinein Personalnot zu bekommen.

Gleichzeitig gibt es Nischen, die auffallen:

  • Tourismusbranche stellt „fleißig“ ein und blickt positiv nach vorn.[1][6]
  • Unternehmensberatungen planen ebenfalls einen Personalaufbau.[1][4]

Diese Verlagerung von Beschäftigung – weg von energie- und kapitalintensiver Industrie, hin zu dienstleistungsbasierten Branchen – ist ein Indiz dafür, dass die deutsche Volkswirtschaft sich in Richtung einer stärker wissensbasierten Struktur bewegt, wenn auch auf Basis einer geschwächten industriellen Kernbasis.

Makroökonomischer Kontext: Stagnation heute, moderates Wachstum morgen

Der Stellenabbau findet nicht im luftleeren Raum statt. Deutschlands Wirtschaftsleistung stagniert seit Jahren. Das ifo-Institut und andere Ökonomen erwarten für das laufende Jahr nur ein – faktisch Nullwachstum.[4][5] Erst ab 2026 rechnen Institute wie ifo und das Kieler IfW wieder mit etwas stärkerem Wachstum von rund 0,8–1,0 % pro Jahr, gestützt durch mehr Arbeitstage und staatliche Investitionen, insbesondere in Infrastruktur und Verteidigung.[4][5]

Interessant ist: Trotz des aktuellen Stellenabbaus rechnen Institute wie das IfW Kiel langfristig mit einem Anstieg der Gesamtbeschäftigung und einer sinkenden Arbeitslosenquote bis 2027.[4] Das deutet auf einen Übergang von der alten zur neuen Jobstruktur hin – mit Rückgang in klassischen Industriejobs und Zuwächsen in anderen Sektoren.

Makroökonomisch lassen sich drei neue Wissenspunkte ableiten:

  • Der Arbeitsmarkt reagiert verzögert auf die Konjunktur: Während das BIP bereits leichte Erholungssignale zeigt, wird beim Personal erst jetzt konsequenter gespart.
  • Politische Programme – etwa große Investitionspakete – können die gesamtwirtschaftliche Nachfrage stützen, ändern aber kurzfristig wenig an der Notwendigkeit zur Effizienzsteigerung auf Unternehmensebene.[5]
  • Demografischer Wandel verstärkt den Trend, dass Unternehmen zunächst über natürliche Fluktuation und Nichtbesetzung abbauen, statt flächendeckend zu entlassen – das erklärt den „schleichenden“ Charakter des Stellenrückgangs.

Welche Sektoren und Aktien profitieren – und welche leiden?

Aus Investorensicht sind die Personalpläne ein Frühindikator für Margen, Wachstumspotenzial und Risikoprofile einzelner Branchen. Grob lassen sich drei Gruppen unterscheiden:

1. Zyklische Problembranchen: Eher meiden oder Verkäufe prüfen

Besonders kritisch erscheinen die von ifo explizit genannten und konjunkturabhängigen Sektoren:

  • Bekleidungs- und Textilindustrie: Deutliche Stellenabbaupläne deuten auf schwache Margen, Überkapazitäten und teils strukturelle Nachfrageprobleme hin.[1][3] Aktien solcher Unternehmen zählen in diesem Umfeld eher zu den Verkaufskandidaten bzw. sollten zumindest kritisch überprüft werden.
  • Zyklische Konsum- und Handelswerte: Da der Handel Personal reduziert und die Konsumlaune gedämpft bleibt, sind klassische Non-Food-Retailer, Möbel- und Modeketten sowie stark deutschlandlastige Konsumwerte anfällig.[6] Hier erscheint ein Underweight oder selektiver Ausstieg sinnvoll, sofern keine starke Bilanz und klare Online-Strategie vorhanden ist.
  • Industriewerte mit niedriger Pricing Power: Unternehmen, die hohe Fixkosten, geringe Margen und wenig Differenzierung aufweisen, leiden überproportional unter Stellenabbauphasen. Ihre Aktien dürften weiter unter Druck stehen, solange das Beschäftigungsbarometer auf Krisenniveau verharrt.

2. Halten mit Augenmaß: Qualitätsindustrie, Bau, defensive Titel

Eine zweite Gruppe sind Unternehmen, die vom Stellenabbau eher als Kostenanpassung profitieren, ohne dass ihr Geschäftsmodell grundsätzlich in Frage steht:

  • Exportorientierte Qualitätsindustrie (z. B. Maschinenbau, Autozulieferer mit Technologiefokus): Hier können Effizienzprogramme mittelfristig die Marge stützen. Solange Verschuldung und Auftragslage solide sind, spricht vieles für ein Halten – mit der Option, in Schwächephasen nachzukaufen.
  • Bau- und Infrastrukturwerte: Trotz verhaltener kurzfristiger Signale stabilisieren staatliche Investitionsprogramme und der Bedarf an Sanierung/Modernisierung die Perspektive.[4] Ein konstanter Personalstamm im Bau deutet auf eine Wartestellung statt Krise hin.[1][6] Entsprechende Aktien eignen sich als Haltepositionen mit mittelfristigem Erholungspotenzial.
  • Defensive Sektoren wie Versorger, Basiskonsum und Gesundheit: Sie sind von den ifo-Signalen weniger direkt betroffen, profitieren aber von einem Umfeld, in dem Wachstum knapp ist. Hier bietet sich typischerweise ein Stabilitätsanker im Portfolio an.

3. Profiteure der Verlagerung: Mögliche Kaufkandidaten

Besonders interessant sind jene Sektoren, die laut ifo Personal aufbauen und von den strukturellen Trends profitieren:

  • Tourismus & Reise: Hotels, Fluggesellschaften, Online-Reiseplattformen und Freizeitkonzerne profitieren von Nachholeffekten und einem Shift hin zu Konsumerlebnissen.[1][6] Die Einstellungspläne signalisieren Zuversicht über 2026 hinaus – eine Basis für selektive Käufe gut kapitalisierter Titel.
  • Unternehmensberatungen & spezialisierte Dienstleister: Wenn Firmen restrukturieren, digitalisieren oder Produktionsketten neu aufstellen, steigt der Bedarf an Beratung.[1][4] Entsprechend dürften beratungsnahe Geschäftsmodelle, IT-Consulting und Transformationsdienstleister zu den Gewinnern zählen.
  • Automatisierung & Digitalisierung: Zwar nicht explizit im ifo-Bericht genannt, aber logisch abgeleitet: Wenn Unternehmen Stellen abbauen und gleichzeitig wettbewerbsfähig bleiben wollen, investieren sie in Automatisierung, Robotik und Software. Aktien von Technologieanbietern für industrielle Automation, ERP-Software, KI-gestützte Planungssysteme und Cloud-Dienstleister profitieren indirekt von der beschriebenen Entwicklung.

Wer tiefer in die Hintergründe des ifo-Beschäftigungsbarometers einsteigen will, findet umfassende Methodik- und Zeitreihenangaben direkt beim ifo Institut. Ergänzend liefern Berichte etwa der Süddeutschen Zeitung sowie Analysen im Handelsblatt zusätzliche Einschätzungen.

Chancen und Risiken für die Gesamtwirtschaft

Der anhaltende Stellenabbau in der Industrie ist auf den ersten Blick ein klares Warnsignal. Doch volkswirtschaftlich ergeben sich sowohl Vorteile als auch Nachteile – je nach Zeithorizont.

Vorteile

  • Produktivitätssteigerung: Unternehmen nutzen die schwache Konjunktur, um ineffiziente Strukturen zu verschlanken. Langfristig erhöht das die Produktivität pro Beschäftigtem, was für eine hoch entwickelte Volkswirtschaft unverzichtbar ist.
  • Struktureller Wandel: Der Abbau in alten Industrien setzt Ressourcen frei (Kapital, Arbeitskräfte), die perspektivisch in wachstumsstärkere Bereiche wie Digitalisierung, Green Tech, Beratung und Tourismus fließen können.
  • Kostensenkung und Wettbewerbsfähigkeit: Gelingt es, Personalkosten ohne massive soziale Verwerfungen zu reduzieren, kann die internationale Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen steigen – ein Plus für Export und Investitionen.

Nachteile

  • Nachfrageschwäche: Weniger Beschäftigte oder die Angst vor Jobverlust drücken Konsum und Investitionsbereitschaft. Das kann die Konjunkturerholung verzögern und eine Abwärtsspirale auslösen.
  • Verlust industrieller Kernkompetenzen: Wenn Stellenabbau mit Werksschließungen, Standortverlagerungen und dem Rückbau von Forschungskapazitäten einhergeht, droht ein dauerhafter Verlust an Know-how.
  • Regionale Ungleichgewichte: Industriecluster – etwa im Maschinenbau oder in der Automobilbranche – prägen ganze Regionen. Stellenabbau dort kann lokale Arbeitsmärkte, Immobilienpreise und Kommunalfinanzen stark belasten.

Die entscheidende Frage lautet also: Gelingt es, den Übergang von „alten“ zu „neuen“ Jobs so zu gestalten, dass die gesamtwirtschaftliche Dynamik nicht dauerhaft leidet?

Ausblick: Wie geht es weiter mit Beschäftigung, Konjunktur und Börse?

Auf Basis der aktuellen ifo-Daten und Konjunkturprognosen zeichnet sich folgendes Szenario ab:

  • Kurzfristig (6–18 Monate): Das Beschäftigungsbarometer bleibt niedrig, die Industrie baut weiter Stellen ab, wenn auch teilweise verlangsamt.[1][6] Die Arbeitslosenquote könnte leicht steigen oder seitwärts laufen, bevor spätere Investitionen greifen.
  • Mittelfristig (ab 2026): Mit einem erwarteten BIP-Wachstum von rund 0,8–1,0 % jährlich[4][5] und fortgesetzten öffentlichen Investitionen dürfte sich der Arbeitsmarkt stabilisieren. Neue Jobs entstehen vor allem in Tourismus, Beratung, Digitalisierung und öffentlichen/infrastrukturnahen Bereichen.
  • Langfristig: Deutschland entwickelt sich stärker zu einer wissens- und dienstleistungsbasierten Ökonomie, mit einer kleineren, aber hochproduktiven Industrie. Entscheidend wird sein, wie schnell Weiterqualifizierung und Bildungsanpassungen mithalten.

Für Investoren heißt das: Die nächste Zeit bleibt stockpickers Markt. Breite Engagements in „Deutschland als Zyklik-Basket“ bergen Risiko, während fokussierte Investments in strukturelle Gewinner und Qualitätswerte Chancen bieten.

Für Anleger lassen sich aus den ifo-Signalen mehrere operative Schlüsse ziehen: Erstens sollten stark zyklische Industrie-, Textil- und handelssensitive Konsumaktien eher reduziert oder gemieden werden, solange der Stellenabbau in „nahezu allen Industriezweigen“ anhält. Zweitens erscheinen solide bilanzierte Qualitätswerte aus Exportindustrie, Bau- und Infrastrukturnähe sowie defensive Sektoren als Haltepositionen mit selektivem Nachkaufpotenzial in Schwächephasen. Drittens eröffnen sich Kaufchancen in jenen Segmenten, die laut ifo Personal aufbauen oder indirekt vom Kostendruck profitieren – insbesondere Tourismus, Beratungs- und Transformationsdienstleister sowie Anbieter von Automatisierungs-, Digitalisierungs- und KI-Lösungen. Volkswirtschaftlich bedeutet der aktuelle Stellenabbau kurzfristig Druck auf Konsum und regionale Arbeitsmärkte, mittelfristig jedoch die Chance auf einen produktiveren, stärker wissensbasierten Wirtschaftsaufbau. Entscheidend wird sein, wie gut Unternehmen, Politik und Bildungssystem den Umbau des Arbeitsmarkts flankieren – denn nur wenn freigesetzte Arbeitskräfte zügig in neue, qualitativ hochwertige Tätigkeiten wechseln, wird aus der heutigen Tristesse ein tragfähiger Wachstumspfad von morgen.

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