Tarif-Deal zwischen EU und USA: Neue Chancen für die Industrie, Risiken für Stahl und Aluminium
Sind die Zeiten hoher Zölle auf Maschinenimporte zwischen EU und USA gezählt? Zumindest für den Großteil der Industriemaschinen steht eine radikale Änderung bevor: Im Rahmen einer Grundsatzvereinbarung einigten sich EU und USA Ende Juli 2025 darauf, die Zölle auf Maschinenimporte von bislang 50 auf 15 Prozent zu senken – ausgenommen bleiben weiterhin Stahl und Aluminium. Die Ankündigung ließ Aktien von europäischen Maschinenbauern wie Siemens und ABB steigen, während Stahlkonzerne wie ArcelorMittal unter Druck gerieten. Ist jetzt der richtige Einstiegszeitpunkt für Investoren im Bereich Maschinenbau gekommen? Und wer sollte eher verkaufen?
Die neue Vereinbarung im Überblick
Das neue Abkommen ist laut offizieller gemeinsamer Erklärung der USA und der EU vom 21. August 2025 noch nicht rechtsverbindlich, aber es gilt als Richtungswechsel im transatlantischen Handel. Ab sofort wird für den Großteil der Industrieprodukte – darunter Maschinen, Fahrzeuge und Pharmaprodukte – ein einheitlicher Zollsatz von 15 Prozent erhoben, und viele strategische Produkte erhalten sogar eine vollständige Zollfreiheit (Zero-for-Zero-Tarife, etwa für Flugzeuge, Chemikalien und Halbleiteranlagen). Ausnahme: Für Stahl- und Aluminiumimporte bleibt es weiterhin bei den alten, hohen Zollsätzen. Das Ziel hinter dem Deal: Die Handelsbilanz zwischen EU und USA ausgleichen und Anreize für lokale Produktion und Reshoring schaffen. Laut White House Fact Sheet sollen damit sowohl Produktionsverlagerungen als auch Investitionen in den heimischen Industrien stimuliert werden.
Besonders profitieren dürften Maschinenbauer, Pharma- und Autokonzerne aus der EU wie Siemens, ABB oder Daimler Truck. Während die meisten Industriegüter günstiger in die USA exportiert werden können, gelten Maschinenbauer als Gewinner. Für den Bereich Stahl und Aluminium bleibt dagegen die Handelslage angespannt. Hier verhängte die US-Regierung erst im März 2025 neue Zölle von bis zu 25 Prozent auf EU-Stahl und -Aluminium; die EU konterte mit eigenen Strafzöllen, die bis zu 50 Prozent reichen und Produkte wie Motorräder, Bourbon und Boote treffen. Wer genauer wissen will, wie die aktuellen Gegenmaßnahmen ausgestaltet werden, findet weitere Details direkt bei der Europäischen Kommission.
Reaktionen der Wirtschaft und Auswirkungen auf Unternehmen
Unternehmen wie Siemens und Konecranes aus dem Maschinenbausektor begrüßen die Vereinbarung offen, denn sie könnten mit einer Vielzahl ihrer Produkte jetzt deutlich günstiger auf den US-Markt expandieren. Die US-Einfuhrzölle für Maschinen und Industrieprodukte waren bisher ein zentrales Hindernis für Europas Exporteure. Auch die Kauflaune und Investitionsbereitschaft profitiert laut Experten von einer positiven Handelsdynamik. Gerade die Zulieferindustrie, darunter mittelständische Maschinenbauer und Automationsspezialisten in Baden-Württemberg oder Norditalien, werden von den gesenkten Zöllen direkt entlastet.
Anders sieht es bei Stahl- und Aluminiumproduzenten aus: Große Player wie ArcelorMittal und Thyssenkrupp müssen weiterhin mit Strafzöllen rechnen, was ihre Exportoptionen deutlich einschränkt. Die EU reagierte bereits mit eigenen Gegenmaßnahmen, die neben den US-Stahl- und -Aluminiumproduzenten auch US-Unternehmen anderer Branchen treffen. Laut Europäischer Kommission sind EU-Exporte im Wert von 26 Milliarden Euro direkt betroffen. Die Unsicherheit über zukünftige Zollschranken bleibt bestehen.
Marktdynamik und Prognosen: Gewinner und Verlierer
- Maschinenbau: Europäische Hersteller (beispielsweise Siemens, KUKA, Festo) sind als Gewinner einzustufen. Investoren können von steigender Exportnachfrage, Umsatzwachstum und verbesserten Margen profitieren.
- Stahl und Aluminium: Die Branche bleibt „unter Beobachtung“. Konzerne wie ArcelorMittal, Thyssenkrupp oder US Steel dürften Verlierer sein, da erhöhte Zölle und Gegenmaßnahmen Exporte teuer machen und Umsätze belasten.
- Börsenempfehlungen: Maschinenbau-Aktien aus der EU und USA sind nach aktuellem Stand kaufenswert, während Stahl- und Aluminiumwerte eher gemieden oder sogar verkauft werden sollten. Wer auf den Trend zu Digitalisierung und Automatisierung setzt, ist mit Zulieferern und Halbleiterherstellern ebenfalls gut beraten.
- Industriegeräte und Automatisierung: Auch US-Unternehmen, die nun vom Einstieg europäischer Maschinen profitieren, könnten gewinnen – z. B. Caterpillar oder Honeywell, wenn sie Zugang zu modernsten EU-Technologien bekommen.
Strukturelle Veränderungen und strategische Vorteile
- Abbau nichttarifärer Handelshemmnisse: Mit gegenseitiger Anerkennung von Normen und Standards etwa für Kraftfahrzeuge und technische Geräte wird die transatlantische Zusammenarbeit erleichtert und zusätzliche Markteintrittsbarrieren abgebaut.
- Reshoring und Lokalisierung: Unternehmen erwägen verstärkt die Verlagerung von Produktionskapazitäten nach Europa oder in die USA, um von den neuen günstigeren Handelsbedingungen zu profitieren und eventuellen weiteren Zöllen auszuweichen.
- Zero-Tarif für Schlüsselprodukte: Das Abkommen eröffnet Vorreitern in strategischen Industrien wie Luftfahrt, Chemie und Halbleitertechnik den weitgehend zollfreien Zugang zu beiden Märkten. Davon profitieren z. B. Airbus, BASF, Infineon und ASML.
Fallstudie: Maschinenbau im Süden Deutschlands
Hersteller wie Trumpf oder Voith berichten bereits von neuen Großaufträgen aus den USA. Laut Branchenverband VDMA könnten die Exportzahlen nach dem Inkrafttreten des niedrigeren Zolls um bis zu 12 % steigen. Gleichzeitig erwarten Experten eine Verlagerung von Innovation und Entwicklung hin zu transatlantisch abgestimmten Produkten, da sich die Normen angleichen.
Risiken und potenzielle Nachteile des Deals
- Stahl- und Aluminiumindustrie droht Margenverlust: Wenn billige Konkurrenzprodukte auf beiden Märkten fehlen, können heimische Produzenten zwar ihre Preise hoch halten, sie verlieren jedoch Wettbewerbsfähigkeit auf globaler Ebene.
- Politische Unsicherheit: Die Vereinbarung ist bislang nicht rechtsverbindlich; ein Wechsel in der US-Regierung könnte die Verhandlungsgrundlage erneut ins Wanken bringen.
- Handelsstreit-Risiko: Die EU behält sich eigene Strafmaßnahmen vor, falls die USA weitere Zollverschärfungen umsetzen. Dies könnte erneut wichtige Branchen wie die Elektronik und Konsumgüter treffen.
Der Investitionsfokus richtet sich klar auf europäische und amerikanische Maschinenbauer sowie die Zulieferindustrie für die Digitalisierung und Automatisierung. Dagegen sollten Aktien aus dem Bereich Stahl und Aluminium derzeit gemieden werden, bis sich die politischen Fronten entspannen. Für die Wirtschaft bedeutet das Abkommen mehr Wachstum, Innovation und Kooperation, aber auch Unsicherheit für Sektoren mit hohen Polit-Barrieren. In Zukunft ist mit weiteren Zollsenkungen und einer Zuspitzung des Kampfes um Hightech-Standards zu rechnen; entscheidend bleiben politische Stabilität und der Abbau von nichttarifären Hemmnissen.



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