DIW warnt vor schwachen deutschen Exporten – was die gedämpfte Auslandsnachfrage aus Drittländern für Wirtschaft und Anleger bedeutet
Wie robust ist das deutsche Exportmodell noch, wenn große Absatzmärkte wie China, die USA oder wichtige Schwellenländer schwächeln – und welche Branchen-Aktien profitieren oder verlieren in einem Umfeld, in dem das Wachstum vor allem aus dem Inland kommt? Genau diese Fragen stellt das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) in seinen jüngsten Konjunkturprognosen, in denen es ausdrücklich vor einem anhaltend schwachen Außenbeitrag und gedämpfter Auslandsnachfrage warnt. Während Exportwerte klassischer Industrie-Bluechips wie Automobil- und Maschinenbaukonzerne unter Druck stehen, eröffnen sich Chancen für binnenorientierte Sektoren, für Anbieter von Automatisierung, Software und Pharma, die weniger stark an zyklische Güterexporte in Drittländer gekoppelt sind.
Die neuen Zahlen des Statistischen Bundesamts zeigen: Die Exporte treten im ersten Halbjahr 2025 nahezu auf der Stelle, während die Importe deutlich steigen – der Exportüberschuss schmilzt ab.[1] Parallel dazu zeichnet das DIW ein Bild, in dem die deutsche Wirtschaft zwar knapp wächst, der Außenhandel aber eher bremst als zieht.[2][7][8] Für Anleger ist das ein Wendepunkt: Das Jahrzehnt des exportgetriebenen Deutschland AG ist vorbei, die Börse preist zunehmend ein, dass sich die Wachstumsquellen verschieben – weg von Volumenwachstum in Drittländern, hin zu Effizienz, Technologie und resilienten, nicht-zyklischen Geschäftsmodellen.
Schwächerer Außenhandel als neue Normalität: Was das DIW wirklich sagt
Das DIW Berlin beschreibt in seinen aktuellen Konjunkturprognosen eine deutsche Wirtschaft, die sich nur langsam aus dem Konjunkturtief herausarbeitet – mit sehr geringem realem Wachstum und einem klaren Belastungsfaktor: den Exporten.[7][8]
In der Frühjahrsprognose des DIW wird festgehalten, dass das Jahresende 2024 einen Dämpfer für den deutschen Außenhandel brachte: Die Nachfrage aus China und den USA ging deutlich zurück, was vor allem die Automobilindustrie traf.[2] Für 2025 rechnet das Institut mit einer „breiten Stagnation in nahezu allen Wirtschaftsbereichen“, wobei wirtschaftspolitische Unsicherheiten und internationale Handelsspannungen die Exportwirtschaft besonders belasten.[2]
Der rote Faden zieht sich durch die späteren Prognosen: Das DIW erwartet für 2025 lediglich ein Mini-Wachstum des BIP von rund 0,3 Prozent, für 2026 dann einen zögerlichen Anstieg Richtung 1,7 Prozent.[7][8] Die Dynamik gehe dabei vor allem von steigenden Löhnen, moderater Inflation und einer allmählichen Erholung der Binnennachfrage aus – nicht vom Export. Im Gegenteil: Der Außenbeitrag zum Wachstum bleibt schwach oder rutscht laut Zahlenwerk perspektivisch weiter ab.[4][8]
Gedämpfte Auslandsnachfrage aus Drittländern – was steckt dahinter?
Wenn vom DIW und anderen Instituten von „gedämpfter Auslandsnachfrage“ die Rede ist, sind insbesondere drei Faktoren gemeint:
- Abkühlung in wichtigen Absatzmärkten wie China und Teilen der USA.
- Handelskonflikte, neue Zölle und industriepolitische Programme, die Lokalisierung statt Import fördern.
- Struktureller Wandel in der globalen Nachfrage – weg von klassischen Investitionsgütern, hin zu digitalen und grünen Lösungen, bei denen deutsche Anbieter nicht überall führend sind.
In der DIW-Analyse heißt es, dass die Nachfrage aus China und den USA deutlich nachgelassen habe und vor allem die deutsche Automobilindustrie spürbar darunter leide.[2] Gleichzeitig verweist das Institut auf handelspolitische Unsicherheiten – etwa US-Zölle und protektionistische Maßnahmen –, die den deutschen Außenhandel in den kommenden Jahren bremsen dürften.[3] Auch die Bundesbank unterstreicht in ihrer eigenen Prognose, dass die Exporte 2025 insgesamt deutlich zurückgehen und im Folgejahr nur gering zulegen werden, unter anderem wegen Zollbelastungen und schwächerer Weltkonjunktur.[9]
Aktueller Datenblick: Wie schwach sind die deutschen Exporte wirklich?
Um die Warnungen des DIW einzuordnen, lohnt ein Blick auf die jüngsten Zahlen des Statistischen Bundesamts (Destatis). Diese zeichnen ein Bild der Stagnation mit zunehmenden strukturellen Rissen.
Stagnation im Volumen, Erosion im Überschuss
Destatis meldet für das erste Halbjahr 2025 Warenexporte von 786 Milliarden Euro – ein Rückgang um 0,1 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum, also faktische Stagnation.[1] Die Importe dagegen stiegen im gleichen Zeitraum um 4,4 Prozent auf 682 Milliarden Euro.[1] Der Außenhandelssaldo, traditionell eine Stärke Deutschlands, fiel damit von 133,7 Milliarden Euro im Vorjahreszeitraum auf 104 Milliarden Euro – ein Minus von gut 22 Prozent.[1]
Besonders aussagekräftig ist die Branchenstruktur:
- Automobilindustrie: Exporte von Kraftfahrzeugen und -teilen sanken im ersten Halbjahr 2025 um 3,4 Prozent auf 131,8 Milliarden Euro.[1]
- Maschinenbau: Exporte von Maschinen fielen ebenfalls um 3,4 Prozent auf 106,9 Milliarden Euro.[1]
- Chemie: Chemische Erzeugnisse gingen um 2,7 Prozent auf 70,3 Milliarden Euro zurück.[1]
- Digital & Pharma: Datenverarbeitungsgeräte legten um 3,6 Prozent auf 65,7 Milliarden Euro zu, pharmazeutische Erzeugnisse sogar um 5,6 Prozent auf 61,4 Milliarden Euro.[1]
Damit deutet sich ein Muster an: Die traditionellen Exportpfeiler (Autos, Maschinen, Chemie) verlieren Volumen, während wissens- und technologieintensive Segmente wachsen.
Regionale Bruchlinien: USA, China und der Rest der Welt
Regional zeigen sich deutliche Verschiebungen:
- USA: Wichtigstes Abnehmerland bleiben die Vereinigten Staaten mit Exporten von 77,6 Milliarden Euro im ersten Halbjahr 2025 – allerdings 3,9 Prozent weniger als ein Jahr zuvor.[1] Gleichzeitig war der Exportüberschuss mit 30,2 Milliarden Euro noch immer hoch, aber bereits um 12,8 Prozent geschrumpft.[1]
- China: Im Handel mit China wies Deutschland einen deutlich steigenden Importüberschuss aus; es wurden 40 Milliarden Euro mehr importiert als exportiert, ein Zuwachs des Defizits um 58,4 Prozent.[1] Die Exporte nach China stehen dabei tendenziell unter Druck, während die Importe weiter steigen.[1][5]
- Großbritannien und andere Nicht-Eurostaaten: Interessanterweise legten die Exporte in viele Nicht-Eurostaaten im Herbst 2025 deutlich zu – in den September-Zahlen ist ein Plus von 5,1 Prozent für Nicht-Euro-Länder zu sehen.[5] In Richtung Großbritannien etwa steigen die Exporte um 7,1 Prozent, die Importe gar um 20 Prozent.[5]
Damit steht Deutschland zwischen zwei Welten: Einerseits verliert es Marktanteile oder Volumen in klassischen Großmärkten wie USA und China, andererseits eröffnet die Diversifizierung in andere Drittländer Chancen. Das DIW verweist allerdings darauf, dass diese positiven Impulse nicht ausreichen, um die Gesamtexportdynamik nachhaltig zu tragen – zumal zusätzliche Belastungen wie neue Zölle, geopolitische Risiken und Standortprobleme hinzukommen.[2][8][10]
Standort unter Druck: DIW über Wettbewerbsfähigkeit und Investitionsbedingungen
Ein zentrales, oft unterschätztes Element in der Diskussion um schwache Exporte ist die Entwicklung der Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland. Das DIW argumentiert, dass nicht nur die externe Nachfrage, sondern auch interne Standortfaktoren die Exportperformance dämpfen.
In einer Analyse zu Prognose und Konjunkturpolitik stellt das Institut fest, dass Deutschlands Wettbewerbsfähigkeit erodiere, weil die Rahmenbedingungen für Investitionen nicht mehr stimmen.[10] Genannt werden unter anderem:
- hohe Energiepreise und unsichere Energiepolitik,
- veraltete und unzureichende Infrastruktur, insbesondere bei Digitalisierung und Verkehr,
- bremsende Bürokratie und langsame Genehmigungsverfahren.
Das große Investitionspaket der Bundesregierung – inklusive eines 500-Milliarden-Euro-Infrastrukturfonds und der partiellen Entkopplung von Verteidigungsinvestitionen von der Schuldenbremse – wird vom DIW zwar als wichtiger Impuls anerkannt.[3] Es soll nach Einschätzung des Instituts der Wirtschaft zum Jahresende und darüber hinaus spürbaren Rückenwind geben.[3] Kurzfristig aber bleibt der Außenbeitrag schwach, weil US-Handelspolitik, globale Unsicherheit und eine verzögerte Umsetzung der Investitionsvorhaben die Exportwirtschaft bremsen.[2][3]
Drei zusätzliche Wissenspunkte zur Struktur des Exportproblems
1. Vorzieheffekte im Außenhandel verzerren das Bild
Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) weist darauf hin, dass ein Teil der Exportzuwächse im ersten Quartal 2025 auf Vorzieheffekte im Handel mit den USA zurückgehe – Unternehmen bringen Waren noch vor Inkrafttreten neuer US-Zölle in den Markt.[6] Der BDI erwartet für das Gesamtjahr 2025 deshalb trotz Anfangsdynamik einen Rückgang der Warenexporte um etwa 2 Prozent.[6] Für Investoren heißt das: Kurzfristige Spitzen sind nicht nachhaltig, sondern spiegeln Risikoabsicherung wider.
2. Außenhandel trägt weniger zum Wachstum bei als früher
In den DIW-Zahlen zur Herbstprognose zeigt sich, dass der Außenbeitrag zum BIP – also Exporte minus Importe – über die Jahre tendenziell abnimmt.[4] Während Exporte in der Modellrechnung zwar weiterhin wachsen, ziehen die Importe stärker an, sodass der Wachstumsbeitrag des Außenhandels sinkt.[4] Das ist ein deutlicher Bruch mit den 2000er- und frühen 2010er-Jahren, als Exportüberschüsse ein wesentlicher Wachstumsmotor waren.
3. Digitale Resilienz und Automatisierung als neue Exportstärke
Neue Daten zur Exportentwicklung im Herbst 2025 zeigen, dass Unternehmen mit stark digitalisierten Prozessen und hoher Automatisierung besser auf die gestiegenen operativen und administrativen Anforderungen im Außenhandel reagieren können.[5] In einem Umfeld mit komplexeren Zöllen, Sanktionen, Lieferkettenrisiken und ESG-Anforderungen wird die Fähigkeit, schnell und transparent zu berichten, zur wettbewerbskritischen Ressource. Anbieter von Software für Supply-Chain-Management, Zollabwicklung und Finanzbuchhaltung profitieren von dieser Entwicklung indirekt über ihre Kundschaft – und direkt über wachsende Nachfrage nach ihren Lösungen.[5]
Branchen-Check: Gewinner und Verlierer der schwachen Exportkonjunktur
Die Warnungen des DIW vor schwachen Exporten sind nicht homogen zu verstehen. Je nach Branche ergeben sich sehr unterschiedliche Perspektiven – und entsprechend divergierende Implikationen für Aktienanleger.
Automobilindustrie: Zyklischer Kern mit strukturellem Gegenwind
Das DIW betont, dass die Automobilindustrie besonders unter der zurückgehenden Nachfrage aus China und den USA leidet.[2] Dies passt zu den Destatis-Daten, die einen Rückgang der Kfz-Exporte um 3,4 Prozent im ersten Halbjahr 2025 ausweisen.[1]
Belastende Faktoren sind:
- schwächeres globales Wachstum und vorsichtigere Konsumenten in vielen Drittländern,
- der verschärfte Wettbewerb durch US- und chinesische Hersteller, gerade im Elektroautosegment,
- regulatorische Unsicherheiten (US-Zölle, lokale Content-Anforderungen, CO₂-Regelwerke),
- hohe Kosten in Deutschland durch Energiepreise, Tarifabschlüsse und Regulierung.
Für große deutsche Autokonzerne und klassische Zulieferer bedeutet das, dass Margen und Volumen in traditionellen Exportmärkten unter Druck stehen. Mittel- bis langfristig werden Premium-Player mit starker Marke und Softwarekompetenz relativ besser abschneiden als volumenorientierte Hersteller, dennoch bleibt die Asset-Klasse zyklisch und verletzlich gegenüber handelspolitischen Schocks.
Maschinenbau und Industrieanlagen: Investitionsgüter im Gegenwind
Maschinenexporte sind ähnlich stark zurückgegangen wie Kfz-Exporte (-3,4 Prozent im ersten Halbjahr 2025).[1] Dies reflektiert eine schwache globale Investitionstätigkeit und Unsicherheit bei großen Industrieprojekten. In vielen Schwellenländern bremsen höhere Zinsen, knappe Budgets und politische Risiken die Nachfrage nach deutschen Investitionsgütern.
Allerdings gibt es innerhalb dieses Sektors klare Differenzierungen:
- Unternehmen mit Fokus auf Automatisierung, Robotik und Prozessdigitalisierung profitieren vom globalen Trend, Produktionskosten zu senken und Reshoring-Initiativen effizient umzusetzen.
- Anbieter von Lösungen für Halbleiterfertigung, Batterietechnik, erneuerbare Energien und Wasserstoff-Infrastruktur haben trotz schwacher Gesamtinvestitionen strukturelle Rückenwinde.
In Summe bleibt der Sektor exportabhängig, aber Qualitätsführer mit starker F&E-Basis und Patentportfolios können Marktanteile gewinnen, selbst wenn das Gesamtvolumen lahmt.
Chemie und Grundstoffe: Zwischen Energiekosten und Nachfrageschwäche
Die Exporte chemischer Erzeugnisse sind um 2,7 Prozent gesunken.[1] Hier wirkt die Kombination aus:
- hohen Energie- und Rohstoffkosten in Deutschland,
- verlagerter Produktion hin zu Regionen mit günstigeren Standortbedingungen,
- konjunktureller Flaute in wichtigen Abnehmerbranchen (Bau, Konsum, Industrie).
Für chemienahe Aktien erhöht das die Zyklik, zugleich entsteht aber ein stärkerer Selektionsdruck: Spezialisierte und forschungsintensive Chemieunternehmen mit hoher Preissetzungsmacht und starker Nischenstellung sind deutlich besser positioniert als energieintensive Massenhersteller.
Pharma, MedTech und digitale Industrien: Strukturelle Profiteure
Demgegenüber verzeichnen Exporte in Bereichen wie pharmazeutische Erzeugnisse (+5,6 Prozent) und Datenverarbeitungsgeräte (+3,6 Prozent) ein klares Wachstum.[1] Diese Sektoren sind weniger stark von zyklischer Investitionsgüternachfrage abhängig, sondern eher von strukturellen Trends wie Alterung der Gesellschaft, Digitalisierung und steigenden Gesundheitsausgaben.
Auch die DIW-Prognosen stützen diese Einschätzung indirekt: Sie rechnen mit positiven Reallohnentwicklungen, moderater Inflation und stabiler Binnennachfrage.[2][7] Davon profitieren besonders:
- Pharma- und Biotech-Unternehmen mit internationalem Portfolio,
- Medizintechnik-Anbieter mit hohem Exportanteil in Industrieländer,
- Software- und IT-Dienstleister, die Unternehmen bei Digitalisierung, Reporting und Supply-Chain-Management unterstützen.[5]
Diese Segmente können selbst bei schwacher Auslandsnachfrage aus klassischen Drittländern wachsen, weil sie von globalen Strukturtrends und weniger von konjunkturellen Investitionszyklen abhängen.
Makroökonomische Folgen: Was bedeutet die Exportflaute für die deutsche Wirtschaft?
Die Warnung des DIW vor schwachen Exporten ist mehr als nur eine Momentaufnahme. Sie deutet auf eine grundlegende Verschiebung in der Funktionsweise der deutschen Volkswirtschaft hin.
Vorteile einer geringeren Exportdominanz
Eine weniger exportgetriebene Wirtschaft kann – richtig gestaltet – auch Vorteile haben:
- Weniger Abhängigkeit von externen Schocks: Wenn das Wachstum stärker von Binnenkonsum, Dienstleistungen und Investitionen in Infrastruktur getragen wird, reagieren Konjunktur und Arbeitsmarkt weniger stark auf globale Krisen.
- Stärkere Resilienz gegenüber Handelskonflikten: Zölle, Sanktionen und protektionistische Maßnahmen treffen eine diversifizierte Volkswirtschaft weniger hart.
- Strukturelle Modernisierung: Investitionen in Digitalisierung, Energieinfrastruktur und Bildung, wie sie das große staatliche Investitionspaket vorsieht,[3] können die Produktivität langfristig erhöhen – eine notwendige Voraussetzung, um auch ohne hohe Exportüberschüsse Wohlstand zu sichern.
Nachteile und Risiken der schwachen Exportperformance
Gleichzeitig birgt die Erosion der Exportdynamik erhebliche Risiken:
- Belastung für industrielle Kernbranchen: Viele gut bezahlte Arbeitsplätze hängen am Export von Autos, Maschinen und Chemieprodukten. Dauerhafte Schwäche hier kann Investitionen und Beschäftigung drücken.
- Finanzierungsfähigkeit des Sozialstaats: Hohe Exportüberschüsse und Unternehmensgewinne haben in der Vergangenheit wesentlich zur Steuerbasis beigetragen. Ein schmalerer Außenbeitrag schränkt fiskalische Spielräume ein.
- Innovationsdruck: Bleiben Investitionen in Forschung und Entwicklung hinter dem globalen Wettbewerb zurück, riskiert Deutschland, in Schlüsseltechnologien (KI, Halbleiter, Batterien) zurückzufallen.
Das DIW warnt in diesem Kontext ausdrücklich vor erodierender Wettbewerbsfähigkeit und unzureichenden Standortbedingungen für Investitionen.[10] Ohne Gegenmaßnahmen droht eine Spirale aus rückläufigen Exporten, stagnierenden Investitionen und gedämpftem Produktivitätswachstum.
Anlageperspektive: Welche Aktien kaufen, halten oder verkaufen?
Für Anleger bedeutet die Diagnose des DIW, dass ein traditionelles „Deutschland = Exportweltmeister“-Narrativ nicht mehr trägt. Gefragt ist eine differenzierte Sektor- und Titelwahl.
Welche Aktien eher verkaufen oder meiden?
Unter Risikoaspekten bieten sich folgende Kategorien zur Reduktion oder zumindest zur deutlichen Untergewichtung an (ohne Bezug auf konkrete Einzeltitel):
- Stark exportabhängige Automobilwerte mit hoher Abhängigkeit von Volumenmärkten in China und den USA, aber schwacher Software- und E-Mobilitätskompetenz. Die Kombination aus Nachfrageschwäche, Handelsrisiken und intensivem Wettbewerb drückt auf Margen und Bewertungsmultiplikatoren.[2][1]
- Zyklische Maschinen- und Anlagenbauer mit deutlichem Schwerpunkt auf klassischen Investitionsgütern für Schwellenländer, aber geringer Differenzierung bei Technologie und Service. Hier drohen im Umfeld schwacher globaler Investitions- und Exporttätigkeit wiederkehrende Auftragseinbrüche.[1][2]
- Energieintensive Grundstoff- und Chemiewerte, die zugleich nicht über ausreichend Preissetzungsmacht oder F&E-Kompetenz verfügen. Standortnachteile und strukturbedingt schwache Nachfrage aus Teilen der Weltwirtschaft erschweren nachhaltige Wertsteigerung.[1][10]
Welche Aktien eher halten?
In vielen Depots sinnvoll ist ein selektives Halten von:
- Qualitätsführern im Automobil- und Maschinenbausektor, die hohe F&E-Aufwendungen, starke Marken und einen klaren Fokus auf Elektrifizierung, Automatisierung und Software zeigen. Sie profitieren überproportional, wenn sich die globale Nachfrage phasenweise erholt, und können strukturelle Trends nutzen.
- Exportorientierten Industrieunternehmen mit starker Service- und After-Sales-Komponente. Wiederkehrende Erlöse aus Wartung, Ersatzteilen und digitalen Services puffern zyklische Schwankungen in der Neugüter-Nachfrage ab.
Für diese Titel spricht, dass sie auch in einem Umfeld gebremster Exporte ihre Marktposition halten und bei temporären Erholungen überproportional profitieren können.
Welche Aktien eher kaufen oder übergewichten?
Aus Sicht eines mittelfristig orientierten Investors erscheinen insbesondere folgende Segmente attraktiv:
- Pharma- und Biotech-Werte mit globalem Footprint, robusten Pipelines und hoher Preissetzungsmacht. Sie profitieren von steigender Gesundheitsnachfrage und sind nur begrenzt abhängig von zyklischen Exporten in Drittländer.[1]
- Medizintechnik und Life-Science-Ausrüster, die ihre Produkte in forschungsintensiven Industrienationen und wachstumsstarken Gesundheitssystemen absetzen. Hier treffen strukturelle Wachstumstreiber auf vergleichsweise stabile Budgets.
- Software-, Cloud- und Automatisierungsanbieter, insbesondere solche, die Unternehmen bei der Digitalisierung von Lieferketten, der Erfüllung von Zoll-, ESG- und Berichtspflichten sowie der Automatisierung von Buchhaltung und Reporting unterstützen.[5] Die steigende Komplexität im Außenhandel macht ihre Lösungen zu Muss-Investitionen.
- Binnenorientierte Konsum- und Dienstleistungswerte in Bereichen, die von steigenden Reallöhnen und moderater Inflation profitieren.[2][7] Sie gewinnen an Attraktivität, wenn das Wachstum stärker aus dem Inland kommt.
Die DIW-Prognosen deuten zudem darauf hin, dass das große staatliche Investitionspaket – etwa in Infrastruktur, Digitalisierung und Verteidigung – bestimmte Industrie- und Bauzulieferer unterstützt.[3] Unternehmen mit klarem Zugang zu diesen Budgets (z. B. Bau- und Infrastrukturtechnologie, Netzausrüstung, Verteidigungstechnologie) können ebenfalls ins Blickfeld rücken, auch wenn sie klassisch exportorientiert sind.
Unter Rendite-Risiko-Gesichtspunkten erscheint damit eine strategische Umschichtung weg von rein zyklisch-exportabhängigen Titeln hin zu strukturellen Wachstumsfeldern in Pharma, Software, Automatisierung und binnenorientierten Konsum- und Infrastrukturtiteln sinnvoll, während Qualitätsführer der Exportindustrie als selektiver Kernbaustein gehalten werden können.
Ausblick: Wie geht es mit deutschen Exporten und Drittländern weiter?
Aus den Positionen des DIW, der Bundesbank und der Industrieverbände lassen sich mehrere realistische Entwicklungslinien für die kommenden Jahre ableiten.
Kurzfristig: Schwache Exportdynamik bleibt die Basisannahme
Für 2025 rechnet das DIW nur mit einem sehr geringen gesamtwirtschaftlichen Wachstum und einem weiterhin schwachen Außenbeitrag.[7][8] Die Bundesbank erwartet, dass die Exporte 2025 deutlich zurückgehen und erst im Folgejahr leicht zulegen.[9] Belastend wirken dabei:
- US-Zölle und handelspolitische Unsicherheiten,
- gebremstes Wachstum in China und anderen Schwellenländern,
- anhaltende geopolitische Spannungen und Lieferkettenrisiken.
Mit einer schnellen Rückkehr zu zweistelligen Exportwachstumsraten ist unter diesen Bedingungen nicht zu rechnen.
Mittelfristig: Exportmodell im Umbau statt im Absturz
Mittelfristig dürfte sich das deutsche Exportmodell nicht auflösen, sondern umschichten:
- Weniger Volumen in klassischen Massen- und Investitionsgütern,
- mehr Wertschöpfung in hochspezialisierten, wissensintensiven Nischen (Pharma, MedTech, Automatisierung, KI-gestützte Industrieanwendungen),
- stärkere Gewichtung von Services, Software und digitalen Plattformen als Ergänzung zu physischen Exportgütern.
Die DIW-Analysen zur Wettbewerbsfähigkeit und zur Notwendigkeit massiver Investitionen in Infrastruktur und Digitalisierung legen nahe, dass politischer Druck in diese Richtung zunehmen wird.[3][10] Gelingt die Umsetzung, können deutsche Unternehmen in technologisch anspruchsvollen Segmenten Marktanteile gewinnen, auch wenn das Gesamtexportvolumen nur moderat wächst.
Langfristig: Exportdämpfer als Katalysator für Strukturreformen
Auf lange Sicht wirken schwache Exporte aus Drittländern wie ein Katalysator: Sie zwingen Politik und Unternehmen, überfällige Strukturreformen und Geschäftsmodellanpassungen zu beschleunigen. Dazu gehören:
- eine konsequente Digitalisierung von Verwaltung und Infrastruktur,
- Investitionen in Bildung, Forschung und Deep-Tech-Ökosysteme,
- die Reduktion regulatorischer Hürden für Investitionen, Start-ups und Skalierung.
Für Anleger bedeutet das: Die nächste Dekade wird weniger von breitem Beta-Wachstum des deutschen Marktes geprägt sein, dafür stärker von stock picking – also der gezielten Auswahl von Unternehmen, die den Übergang vom alten zum neuen Export- und Wachstumsmodell meistern.
Wer die vom DIW skizzierten Schwächen im Außenhandel nicht als Endpunkt, sondern als Übergangsphase versteht, kann sein Portfolio gezielt in jene Sektoren und Titel ausrichten, die aus der notwendigen Modernisierung des Standorts Deutschland als Gewinner hervorgehen – und gleichzeitig das Risiko klassischer, hoch exportabhängiger Zykliker kontrollieren.



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