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Durchbruch in der Alzheimer-Forschung: Lecanemab verändert die Therapieoptionen

Durchbruch in der Alzheimer-Forschung: Lecanemab verändert die Therapieoptionen

Alzheimer – eine Diagnose, die Millionen Menschen weltweit fürchten und der medizinisch bislang nur mit symptomatischen Behandlungen begegnet werden konnte. Nun steht ein technologischer und medizinischer Durchbruch bevor: Mit Lecanemab (Handelsname: Leqembi) hat die Europäische Kommission im April 2025 erstmals seit Jahrzehnten wieder ein neues Alzheimer-Medikament zugelassen. Könnte dies der Beginn einer Wende im Kampf gegen das Vergessen sein?

Was ist Lecanemab und wie wirkt es?

Lecanemab ist ein biotechnologisch hergestellter Antikörper, der gezielt Amyloid-beta-Proteine attackiert. Diese Eiweiße lagern sich als sogenannte Plaques im Gehirn ab und gelten als eine der zentralen Ursachen für die Entstehung von Alzheimer. Während bisherige Medikamente vor allem die Symptome – etwa Gedächtnisstörungen oder Verhaltensveränderungen – behandelten, richtet sich Lecanemab erstmals gegen einen ursächlichen Krankheitsmechanismus. Damit können Erkrankte im Frühstadium der Krankheit von einem verlangsamten Krankheitsverlauf profitieren. Die Wirkung: nicht Heilung, aber der Verlauf wird um einige Monate verzögert – ein wichtiger Fortschritt, der aber auch Grenzen hat.

Wissenschaftliche Einordnung und Zulassung

Lecanemab ist das Ergebnis langjähriger Forschung und wurde unter anderem von den Unternehmen Eisai und Biogen entwickelt. Nach einem ungewöhnlich langen und schwierigen Zulassungsverfahren hat die Europäische Kommission das Medikament für eine eng umrissene Gruppe von Alzheimer-Patienten im Frühstadium freigegeben. Wie die Deutsche Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen berichtet, ist dies der erste derartige Fortschritt seit der EU-Zulassung von Memantin im Jahr 2002.

Die wissenschaftliche Community betont die Bedeutung dieses Schrittes: Professor Dr. Gabor Petzold, Neurologe am DZNE, spricht von einer neuartigen Behandlungsoption, die einen der zugrunde liegenden Mechanismen der Erkrankung adressiert. Die Forschung soll nun durch Registerstudien begleitet werden, um weitere Erkenntnisse zu Sicherheit und Anwendung im Alltag zu sammeln.

Wer kann von Lecanemab profitieren?

Lecanemab ist nur für eine eng definierte Patientengruppe zugelassen: Menschen, bei denen Alzheimer im Frühstadium diagnostiziert wurde und die nicht beide Kopien des Risikogens ApoE4 tragen. Die Erfahrung in Studien zeigt: Vor allem in dieser frühen Phase und bei sorgfältig ausgewählten Patienten kann das Medikament das Fortschreiten der Krankheit um einige Monate verzögern. Dennoch bleibt die Wirkung auf eine kleine Gruppe begrenzt und ist damit kein Wundermittel für die gesamte Alzheimer-Bevölkerung.

  • Ein Fortschritt: Statt nur Symptome zu lindern, wird erstmals ein krankheitsmodifizierender Ansatz verfolgt.
  • Bisherige Therapieoptionen zielten auf eine Verbesserung der kognitiven Leistungsfähigkeit – ohne das Fortschreiten der Erkrankung zu stoppen.
  • Mit der Zulassung von Lecanemab wächst die Hoffnung, dass weitere Medikamente nachziehen.

Risiken, Nebenwirkungen und offene Fragen

Die Euphorie über Lecanemab ist mit Vorsicht zu genießen. Wie das Deutsche Gesundheitsportal berichtet, bleibt das Potenzial auf eine Verlangsamung des Verlaufs um einige Monate beschränkt – und das bei einer kleinen Patientengruppe. Besonders kritisch ist das Nebenwirkungsprofil: Hirnblutungen und Hirnschwellungen traten in den klinischen Studien bei einigen Patienten auf. Ein sorgfältiges Screening und Monitoring sind nötig, bevor und während Patienten Lecanemab erhalten.

Auch ethische Fragen stehen im Raum: Wird das Medikament in der Praxis die Versorgung verbessern – oder führt die komplexe Diagnostik, die für die Auswahl der Patienten nötig ist, zu neuen Ungleichheiten im Gesundheitssystem?

Ausblick: Was bedeuten die neuen Erkenntnisse für die Zukunft?

Die Zulassung von Lecanemab markiert einen Meilenstein, aber keinen Endpunkt in der Alzheimer-Forschung. Im internationalen Pharmasektor investieren zahlreiche Unternehmen in die Entwicklung weiterer Antikörper-Therapien und krankheitsmodifizierender Ansätze. Die Pharmaindustrie erwartet sich durch diesen Durchbruch neue Impulse für die Erforschung innovativer Wirkstoffe. In der Pharmaforschung sind derzeit zahlreiche weitere Präparate in klinischer Entwicklung, einige davon adressieren andere Mechanismen wie Tau-Proteine oder entzündliche Prozesse im Gehirn.

Davon könnten nicht nur Patienten profitieren, die länger selbstbestimmt leben, sondern auch Angehörige und Pflegekräfte, die durch eine Verlangsamung des Progresses entlastet werden. Für die Wirtschaft ergibt sich zudem ein neues Marktsegment, das in den kommenden Jahren weiter wachsen dürfte. Was sich die Wissenschaft erhofft, sind präzisere Wirkstoffe mit weniger Nebenwirkungen, die künftig in früheren Stadien der Erkrankung eingesetzt werden können.

Lecanemab ist ein Schritt nach vorn, aber kein Allheilmittel. Derzeit profitieren nur wenige Patientinnen und Patienten in einer klar definierten Frühphase der Erkrankung, und Nebenwirkungen sind nicht zu unterschätzen. Dennoch macht diese Entwicklung Mut: Sie belegt, dass Alzheimer nicht mehr als gänzlich unbehandelbar gelten muss. Für die Zukunft ist zu erwarten, dass weitere Medikamente mit unterschiedlichen Wirkmechanismen folgen – und damit aus einem technologischen Fortschritt ein echter medizinischer Nutzen für viele werden kann. Entscheidend wird sein, wie breit diese Innovationen zugänglich und wie sicher sie in der Anwendung sein werden.

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