Palästinensische Autonomiebehörde fordert Geschäftsverbot für booking.com und Airbnb in israelischen Siedlungen
Die Frage, ob Digitalunternehmen wie booking.com und Airbnb weiterhin Ferienunterkünfte in israelischen Siedlungen anbieten dürfen, sorgt erneut für internationale Schlagzeilen. Im Kern steht die Forderung der Palästinensischen Autonomiebehörde nach einem klaren Geschäftsverbot: Plattformen sollen keine Buchungen mehr für Objekte in völkerrechtlich umstrittenen, israelisch besetzten Gebieten entgegennehmen. Können Technologieunternehmen und Tourismusplattformen tatsächlich neutral bleiben, wenn ihr Kerngeschäft direkt auf politisch hochsensiblen Territorien stattfindet?
Hintergrund: Die Forderung der Palästinensischen Autonomiebehörde
Aktuell verlangt die Palästinensische Autonomiebehörde von booking.com, Airbnb und weiteren Urlaubsplattformen, Vermittlungsangebote in den israelischen Siedlungen der besetzten palästinensischen Gebiete einzustellen. Der Vorwurf ist eindeutig: Durch die Vermietung von Ferienwohnungen in diesen Siedlungen würden sich die Unternehmen mitschuldig an „Verbrechen gegen das palästinensische Volk“ machen. Das sagte Vizeaußenminister Awadallah im Interview gegenüber dem Deutschlandfunk. Dementsprechend seien die Plattformen Teil eines Systems, das auf „besetztem palästinensischen Gebiet“ aufgebaut und aus internationalen Menschenrechtskonventionen als illegal definiert wird. Touristen sollten zudem die volle Verantwortung für ihre Reiseziele und deren politische Bedeutung übernehmen (Deutschlandfunk).
Reaktion der Branchenführer: booking.com und Airbnb
Beide Unternehmen wurden konkret adressiert, da sie zu den wichtigsten Vermittlungsplattformen auf dem globalen Tourismusmarkt zählen. booking.com, mit Sitz in den Niederlanden, bestätigte, sich an internationale Gesetze zu halten und das Thema „ernst“ zu nehmen. Aussagekräftige Details zum Geschäftsgebaren oder zu geplanten Änderungen bleiben jedoch bisher aus.
Frühere Untersuchungen hatten ergeben, dass auf booking.com und Airbnb weiterhin Hunderte von Wohnungen oder Hotels zur Vermietung angeboten werden, die in den israelischen Siedlungen in der Westbank und Ostjerusalem liegen. Zwölf Monate zuvor wurden etwa 760 Unterkünfte auf beiden Plattformen zusammengezählt. Diese könnten mehr als 2.000 Gäste gleichzeitig aufnehmen (Deutschlandfunk).
- In Westbank und Ostjerusalem werden Häuser palästinensischer Familien von Siedlern beansprucht und anschließend auf den Plattformen vermietet.
- Viele Angebote verschweigen, dass der Zugang für Palästinenser verboten ist – sie dürfen diese Orte meist nicht betreten (YouTube-Bericht).
- Laut aktuellen Analysen macht inzwischen ein Drittel aller Airbnbs im Westjordanland Angebote in illegalen israelischen Siedlungen aus.
Während Airbnb 2018 ankündigte, die betroffenen Angebote aus der Plattform zu entfernen, ist die aktuelle Lage widersprüchlich – viele Anzeigen sind nach wie vor verfügbar, insbesondere unter dem Verweis, lediglich „neutral“ agieren zu wollen. Die Unternehmen verweisen auf die Eigenverantwortung der Reisenden und erwähnen lediglich Hinweise auf Konfliktlagen, um Nutzer zu „informierten Entscheidungen“ zu befähigen (Airbnb-Pressemitteilung).
Ethische und rechtliche Debatten: Profite auf umstrittenem Boden
Die Plattformen geraten damit zwischen die Fronten politischer, juristischer und moralischer Auseinandersetzungen. Die Genfer Konventionen klassifizieren den Siedlungsbau als illegal, und internationale Menschenrechtsorganisationen fordern den Rückzug der Unternehmen aus den Gebieten. Auf der anderen Seite argumentieren Befürworter, dass Unternehmen sich dem politischen Druck nicht fügen und wirtschaftliche Neutralität wahren sollten.
Einige Stimmen fordern die explizite Kennzeichnung oder gar Löschung entsprechender Angebote, während andere einen Rückzug als Eingriff in die Reisefreiheit und Marktwirtschaft sehen. US-amerikanisches Recht untersagt Unternehmen bislang nicht, Geschäftsbeziehungen in den umstrittenen Gebieten aufrechtzuerhalten. Die Plattformen selbst verweisen auf die Vielfalt der Positionen und darauf, dass sie nicht die Instanz für territoriale Streitigkeiten sein könnten.
Konsequenzen und Perspektiven
- Ein Geschäftsverbot könnte den finanziellen Anreiz für neue Siedlungsbauten reduzieren und den politischen Druck auf Israel erhöhen.
- Der Tourismussektor der Region, insbesondere nach Kriegsphasen, leidet ohnehin unter enormen wirtschaftlichen Einbußen, sodass ein Boykott bestehende Ungleichgewichte weiter verschärfen könnte.
- Menschrechtliche Standards würden gestärkt, jedoch könnten Investoren und große Marktplätze abwandern, was die palästinensische wie israelische Bevölkerung gleichermaßen treffen würde.
- In den kommenden Jahren könnte eine deutliche Rechtsgrundlage auf EU- oder internationaler Ebene geschaffen werden, die die Plattformen zu klareren Positionierungen zwingt.
- Mit zunehmender Digitalisierung und Transparenz wachsen auch die Anforderungen der Nutzer an ethische Unternehmensführung – die „Neutralität“ der Plattformen steht unter öffentlicher Beobachtung.
Die Forderung der Palästinensischen Autonomiebehörde zielt auf ein Umdenken im digitalen Tourismusgeschäft und zwingt Unternehmen wie booking.com und Airbnb, ihre ethischen Leitlinien zu überprüfen. Ein Geschäftsverbot kann helfen, den internationalen Rechtsrahmen zu stärken und langfristig politischen Druck zu erzeugen. Allerdings birgt es auch wirtschaftliche Risiken und die Gefahr, dass prekäre regionale Arbeitsplätze wegfallen. Zukünftig werden klare politische oder juristische Leitlinien von der internationalen Gemeinschaft erwartet – dies könnte Unternehmen entlasten, aber auch ihre Verantwortung für menschenrechtliche Standards weiter erhöhen. Unternehmen, die heute freiwillig mehr Transparenz schaffen und Missstände klar kennzeichnen, könnten ihren Marktvorteil langfristig sichern und einen Paradigmenwechsel im digitalen Tourismus einleiten.
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