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Regierungskrise in Frankreich: Droht eine neue Eurokrise und was bedeutet das für Anleger?

Regierungskrise in Frankreich: Droht eine neue Eurokrise und was bedeutet das für Anleger?

Frankreichs politische Dauerkrise hat am 11. Oktober 2025 die Märkte erneut erschüttert. Der Rücktritt des Premiers, ein taumelndes Kabinett und politische Blockaden haben nicht nur die Kurse französischer Staatsanleihen einbrechen lassen, sondern Diskussionen um die Stabilität des gesamten Euro-Raums befeuert. Wie beeinflusst die Unsicherheit große Konzerne wie L’Oréal, LVMH oder die französische Großbank Société Générale? Und welche Branchen könnten kurzfristig zu den Verlierern oder Profiteuren gehören? Anleger fragen sich: Sollten französische Aktien jetzt weiter gehalten, verkauft oder gezielt nachgekauft werden?

Kern der Regierungskrise: Wirtschafts- und Staatsverschuldung

Frankreichs Staatsfinanzen sind bereits seit Jahren Gegenstand scharfer Kritik. Mit einer Staatsverschuldung von über 110 % des Bruttoinlandsprodukts steht das Land selbst im europäischen Vergleich an einer der Spitzenpositionen – nur Griechenland und Italien liegen noch höher. Die Defizite steigen Jahr für Jahr weiter an, ein ausgeglichener Haushalt liegt mehr als ein halbes Jahrhundert zurück. Die jüngsten Verwerfungen an den Märkten zeigten sich nach dem Rücktritt des Premiers unmittelbar: Die Renditen französischer Staatsanleihen zogen stark an, die Kurse fielen.

  • Kreditausfallrisiken steigen: Anleger verlangen höhere Risikoaufschläge für französische Schuldtitel.
  • Banken sind besonders exponiert – vor allem Société Générale und BNP Paribas.
  • Exportorientierte Unternehmen könnten vom schwächeren Euro profitieren – Luxusgüterkonzerne wie LVMH und Hermès sind dafür Paradebeispiele.

Vier politische Szenarien und ihre Wirtschaftsauswirkungen

Diskutiert werden vier Szenarien für die kommenden Wochen: Ein Kompromiss mit Lecornu als Premier, die Ernennung eines linksgerichteten Premiers, Neuwahlen oder gar ein Rücktritt von Präsident Macron. Jedes Szenario birgt marktrelevante Konsequenzen:

  • Kompromiss und Fortsetzung mit Lecornu: Die Märkte könnten sich kurzfristig beruhigen – vorausgesetzt, es folgt rasch ein nachhaltiges Haushaltsprogramm.
  • Linksgerichteter Premier: Drohende Rücknahme von Rentenreformen und wirtschaftspolitische Unsicherheit – speziell betroffen wären Versorger, Banken und Bauunternehmen.
  • Neuwahlen: Gefahr eines Sieges des rechtspopulistischen Rassemblement National. Die Unsicherheit für Investoren würde massiv zunehmen. Finanzwerte und Infrastrukturunternehmen könnten stark unter Druck geraten.
  • Rücktritt Macrons: Ein Präsidentschaftswahlkampf in der aktuellen Situation dürfte sämtliche Märkte belasten. Mittelfristig droht eine Volatilität, wie sie sonst nur in südeuropäischen Krisenstaaten zu beobachten war.

Mehr zu mehreren Szenarien und möglicher Marktreaktion erfährt man etwa im Bericht von ZDF.

Risikoanalyse: Droht eine neue Eurokrise?

Commerzbank-Ökonom Jörg Krämer und weitere Experten warnen, dass eine anhaltende Regierungskrise in Frankreich eine neue Eurokrise auslösen könnte. Frankreich ist zu groß, um – wie Griechenland – von außen gerettet zu werden. Ein Vertrauensverlust könnte den Euro-Raum destabilisieren, mit Domino-Effekten auf Anleihe-, Aktien- und Devisenmärkte. Auch das Handelsblatt und der Deutschlandfunk berichten kritisch über die hohen Defizite und Mangel an Auswegen.

  • Panikverkäufe könnten französische Banken und Energieversorger treffen.
  • Euro-Stärke leidet, was Exportsektoren kurzfristig hilft, aber Importe verteuert.
  • Risikoscheu der Investoren trifft Technologie- und Start-Up-Szene.

Analyse: Einzelaktien und Branchen im Fokus

Vor dem Hintergrund der Unsicherheit gelten folgende Empfehlungen:

  • LVMH und Hermès: Halten, bei weiteren Kursrückgängen sogar Nachkaufchance – beide Luxusgüterkonzerne sind international diversifiziert und profitieren bei Euro-Schwäche.
  • Société Générale und BNP Paribas: Eher verkaufen – Bankaktien sind übermäßig von Staatsanleihen abhängig und könnten von weiteren Panikattacken getroffen werden.
  • Versorger wie EDF (Électricité de France): Halten. Unsicheres politisches Umfeld drückt auf die Kurse, langfristig bleiben die Unternehmen aber systemrelevant.
  • Konsumgüter (Danone, L’Oréal): Halten. Grundsolide Unternehmen, stabile Cashflows, geringe Abhängigkeit vom französischen Heimatmarkt.

Wirtschaftliche Chancen und Risiken – strukturelle Vor- und Nachteile

  • Vorteile:
    • Stärkung der europäischen Diversifizierung: Investoren werden ihre Engagements weiter über Europa streuen und nicht zu stark auf ein Land setzen.
    • Ein schwächerer Euro stärkt französische Exporte kurzfristig.
    • Marktbefreiungseffekte, falls politische Blockaden endlich gelöst und Reformen durchgesetzt werden.
  • Nachteile:
    • Verlust an Vertrauen in europäische Stabilitätsmechanismen – Risikoaufschläge steigen, auch für andere Staaten.
    • Gefahr massiver Kapitalabflüsse: Frankreichs Banken könnten in Liquiditätsprobleme geraten.
    • Wachstumseinbruch im Euro-Raum, wenn Frankreich als zweitgrößte Volkswirtschaft Europas stagniert.

Wie geht es weiter?

Die kommenden Wochen sind entscheidend: Führen Macron und sein Team Frankreich zu einem Kompromiss und stabilisieren die Lage, kann sich auch der Aktien- und Anleihenmarkt wieder erholen. Gelingt dies nicht, drohen Neuwahlen und anhaltende Turbulenzen. Auf längere Sicht werden die Märkte eine stärkere Risikoprämie für französische Titel verlangen – das spricht vorwiegend für international diversifizierte Branchenlenker aus Frankreich sowie für Engagements in anderen europäischen Aktien unabhängig von der Politik in Paris.

Für mutige Anleger bietet sich eine defensive Strategie an: Qualitätsaktien wie LVMH und L’Oréal halten oder bei Abgaben nachkaufen, Banken und Infrastrukturwerte eher meiden oder verkaufen. Langfristig bleibt das politische Risiko in Frankreich erhöht. Die gesamte Eurozone muss wachsam bleiben, damit die Regierungskrise nicht zum Katalysator für eine neue Gemeinschaftskrise wird.

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