US-Arbeitslosenquote steigt trotz Stellenwachstum: Gemischte Wirtschaftssignale im September 2025
Überraschend robuste Jobzahlen bei gleichzeitigem Anstieg der Arbeitslosenquote – die neuesten US-Arbeitsmarktdaten werfen zahlreiche Fragen für Anleger, Unternehmen und die Geldpolitik auf. Im September 2025 wurden 119.000 neue Arbeitsplätze geschaffen, weit mehr als erwartet. Gleichzeitig stieg die Arbeitslosenquote auf 4,4 % – der höchste Stand seit Oktober 2021. Welche Branchen und Aktien profitieren in solch einer Gemengelage? Wo lauern Risiken?
Stellenzuwächse über den Erwartungen, aber mehr Arbeitslose
Der Arbeitsmarktbericht für September wurde wegen eines Regierungsstillstands verspätet veröffentlicht, sorgte danach aber für Diskussionen: Mit 119.000 neuen Jobs außerhalb der Landwirtschaft fiel der Stellenaufbau mehr als doppelt so hoch aus wie die Konsensprognosen (ca. 50.000). Die Zahl der Erwerbstätigen stieg auf 163,645 Millionen, die Zahl der Arbeitslosen aber ebenfalls, auf 7,603 Millionen Menschen (Quelle Trading Economics). Noch frappierender: Der Arbeitsmarkt bleibt zwar dynamisch, aber die entstehende Schieflage deutet auf strukturelle Herausforderungen am US-Arbeitsmarkt hin.
- Stellenwachstum über Erwartungen: Gegenüber dem Vormonat August (+22.000, revidiert auf -4.000) wurde im September stark zugelegt.
- Höchste Arbeitslosenquote seit Oktober 2021: Die Quote kletterte von 4,3 % auf 4,4 %, obwohl Analysten Stagnation erwarteten (Quelle Onvista).
- Verzögerte Datenlage: Der längste Regierungs-Shutdown der US-Geschichte verzerrte den Zeitpunkt der Veröffentlichung und trägt zur Unsicherheit in den Prognosen bei (Quelle manager magazin).
Stagnierende Löhne trotz kräftiger Jobzuwächse
Besorgniserregend ist zudem die geringe Lohnsteigerung. Die Stundenlöhne stiegen im September lediglich um 0,2 % gegenüber dem Vormonat, weniger als Analysten erwarteten. Auf Jahresbasis halten sie sich bei +3,8 %, was zwar solide ist, aber angesichts der US-Inflationsdynamik möglicherweise nicht ausreicht, um die Kaufkraft abzusichern. Der verhaltene Lohndruck könnte mittelfristig die Konsumlaune belasten, aber auch das Zinsumfeld beeinflussen.
Analyse der Marktsignale: Unsicherheit und Sektor-Rotation
Die Börse reagiert auf die widersprüchlichen Signale zunächst verhalten. Der S&P 500 notierte nach Veröffentlichung des Berichts uneinheitlich, Technologiewerte verteidigten leichte Gewinne, während zyklische Aktien unter Druck gerieten.
- Gewinner: Unternehmen mit defensiven Geschäftsmodellen wie Gesundheitsdienstleister, Versorger und große Technologie-Konzerne profitieren in ungewissen Zeiten. Beispiel: Die Aktien von Microsoft und Apple gelten als verlässliche Ankerpunkte.
- Verlierer: Zyklische Branchentitel – etwa im Einzelhandel oder im Automobilsektor – stehen unter Abgabedruck, da mit anhaltender Unsicherheit die Konsumlaune gefährdet scheint.
- Zins- und Bankenwerte: Die erhöhte Arbeitslosigkeit erschwert aggressive Zinssenkungen, weshalb Bankenaktien volatil bleiben.
Besonders bemerkenswert: Die Revision alter Daten zeigt, dass das Jobwachstum im Sommer geringer ausfiel als gedacht. Dadurch könnte die jüngste Stärke ein statistischer „Nachholeffekt“ sein – und keine dauerhafte Trendwende.
Hintergründe: Arbeitsmarkt, Fed und politische Unsicherheiten
Die US-Notenbank Fed legt bei geldpolitischen Entscheidungen großen Wert auf die Stärke des Arbeitsmarkts und die Lohnentwicklung. Die aktuellen Zahlen signalisieren einen widerstandsfähigen Jobmarkt, mahnen jedoch zur Vorsicht. Da die Septemberdaten die letzten offiziellen Zahlen vor der nächsten Notenbanksitzung im Dezember bleiben, fehlt der Fed eine wichtige Entscheidungsgrundlage.
- Kein eindeutiger Trend: Neue Jobs, aber gleichzeitig mehr Arbeitslose – dieser Gegensatz sorgt auch bei Ökonomen für einen „Deutungskampf“.
- Verzögerte Daten erschweren Prognosen: Durch den Shutdown werden die Arbeitsmarktdaten für Oktober und November zusammen erst Mitte Dezember veröffentlicht.
- Unsichere Zinserwartungen: Die Fed könnte geneigt sein, die Zinsen konstant zu lassen, solange Unsicherheit herrscht. Die Wahrscheinlichkeit einer Zinssenkung im Dezember liegt laut Analystenumfragen bei etwa 40 %.
Schwellen für den Aktienmarkt: Kauf-, Halte- oder Verkaufsargumente?
- Kaufen: Defensiv aufgestellte Technologiekonzerne (u.a. Microsoft, Alphabet), große Pharma- und Gesundheitsunternehmen sowie Versorger profitieren tendenziell von robusten Bilanzen und stabilen Cashflows.
- Halten: Banken, Industriekonzerne und Basiskonsumgüter-Hersteller, die von einer stabilen Binnenkonjunktur getragen werden, bleiben Haltepositionen – die Situation ist zu uneindeutig für neue Positionen.
- Verkaufen: Zyklische Werte, vor allem kleinere Einzelhändler, Konsumgüterhersteller ohne starke Marken, Automobilindustrie und Unternehmen mit hohem Fremdkapitalanteil, sind derzeit eher zu meiden.
Chancen und Risiken für Wirtschaft und Portfolio
- Vorteile: Der robuste Arbeitsmarkt sorgt für Grundoptimismus und verhindert einen kurzfristigen Einbruch. Die Unsicherheit zwingt die Geldpolitik zu moderater Gangart, was Konjunktur und Börsen Stabilität verleiht.
- Nachteile: Die Arbeitslosenquote „frisst“ einen Teil des positiven Momentums. Schwächelnde Kaufkraft und unsicherer Konsum könnten einzelne Sektoren belasten. Die politische Unsicherheit rund um Haushalt und Shutdown bleibt ein Risikofaktor.
Für Anleger heißt das: Fokus auf Qualität, Cashflow und möglichst wenig Fremdkapital im Portfolio. Die Sektor-Rotation hin zu defensiven Titeln dürfte sich fortsetzen, Technologieriesen (Microsoft, Apple, Alphabet) sind aussichtsreiche Kandidaten auf der Kaufseite. Einzelhändler, zyklische Konsumwerte und Autobauer sollten dagegen konsequent gemieden oder reduziert werden. Die Fed wird die nächsten Schritte erst ab Mitte Dezember auf frische Daten stützen können – ein längerer Schwebezustand mit hoher Volatilität ist wahrscheinlich. Für die US-Wirtschaft spricht das Jobwachstum mittelfristig für Belastbarkeit, doch eine nachhaltige Trendwende zu mehr Wachstums- oder Produktivitätsimpulsen ist vorerst nicht in Sicht.



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