Revolution in der Stahlindustrie: Das neue umweltfreundliche Herstellungsverfahren ab Juli 2025
Stahl ist das Rückgrat der Industrie – und gerade bei Klimaschutzfragen steht sein CO₂-intensiver Herstellungsprozess zunehmend unter Druck. Kann ein grundlegender Technologiewechsel die jahrzehntealten Strukturen aufbrechen? Am 27. Juli 2025 rückte ein neues, umweltfreundliches Herstellungsverfahren ins Rampenlicht. Es ist insbesondere die Salzgitter AG mit ihrem ambitionierten SALCOS®-Programm, die als Vorreiterin auf dem deutschen und europäischen Markt gilt und bereits entscheidende Investitionen getätigt hat.
Ein Paradigmenwechsel in der Produktion: Wasserstoff statt Kohle
Das konventionelle Hochofenverfahren basiert seit Jahrhunderten auf dem Einsatz von Kohle. Das SALCOS®-Programm setzt hier gezielt an: Ziel ist es, den Ausstoß von CO₂-Emissionen bei der Stahlherstellung nahezu vollständig zu vermeiden. Im Kern wird der Hochofen durch eine sogenannte Direktreduktionsanlage ersetzt, in der Eisenerz nicht länger mit Kohle, sondern mit erneuerbar erzeugtem Wasserstoff reagiert. Das Ergebnis: Es entsteht statt CO₂ vor allem Wasserdampf, wodurch die Emissionen laut Salzgitter AG um bis zu 95 Prozent gesenkt werden können. Wie das Unternehmen mitteilt, fließen erhebliche Investitionssummen – allein die erste Phase des Programms verschlingt 2,3 Milliarden Euro, davon eine Milliarde als staatlicher Zuschuss. Das ambitionierte Ziel lautet, bis spätestens 2033 weitgehend klimaneutralen Stahl zu produzieren (mehr erfahren).
Technologischer Wandel und internationale Wettbewerbsdynamik
Die Innovationswelle bleibt nicht auf Europa beschränkt. Auch Asien forciert die Transformation: Nippon Steel, einer der größten Stahlproduzenten der Welt, investiert bis 2029 beeindruckende 5,7 Milliarden US-Dollar in Elektrolichtbogenöfen (EAF). Diese Öfen nutzen Stahlschrott und werden mit Strom statt Kohle betrieben – ein Modell, das nicht nur Ressourcen spart, sondern auch die Tür für einen vollständig dekarbonisierten Prozess öffnet. Gleichzeitig beschleunigen staatliche Subventionen, etwa im Rahmen des japanischen Green Transformation Promotion Act, die Entwicklung klimafreundlicher Anlagen im großen Maßstab (mehr dazu).
Direktreduktion und der Wasserstoffhochlauf als Schlüssel
Im Mittelpunkt der neuen Verfahren steht die Direktreduktion mit grünem Wasserstoff. Hier wird Eisenerz im festen Zustand unter Einsatz von Wasserstoff reduziert, ohne dass tonnenweise Kohlendioxid freigesetzt wird. Ergänzt wird dieses Verfahren durch Elektrolichtbogenöfen, in denen der daraus entstehende Eisenschwamm zusammen mit Schrott zu Rohstahl verschmolzen wird. Die Praxis zeigt: Nur durch die umfassende Nutzung erneuerbarer Energien und die Skalierung der Wasserstofferzeugung kann diese ambitionierte Umwandlung gelingen. Salzgitter hat hierzu bereits eigene Elektrolyseure in Betrieb genommen, arbeitet eng mit Industriepartnern und Forschungseinrichtungen zusammen (mehr Hintergründe).
Ökonomische, ökologische und gesellschaftliche Auswirkungen
Die Umstellung auf nachhaltige Stahlproduktion ist mit immensen Investitionen und Herausforderungen verbunden, eröffnet jedoch vielfältige Chancen:
- Wirtschaftlicher Nutzen: Als Technologieführer profitieren Unternehmen mittelfristig von Wettbewerbsvorteilen, neuen Märkten und positiven Markenwirkungen.
- Ökologische Entlastung: Die drastische Senkung der CO₂-Emissionen trägt maßgeblich zu den europäischen sowie globalen Klimazielen bei.
- Soziale Dimension: Die Grüne Transformation schafft Arbeitsplätze im Bereich Zukunftstechnologien und erhöht die Akzeptanz in Politik und Gesellschaft.
Nicht zu unterschätzen sind jedoch die finanziellen Risiken, der immense Energiebedarf und die Notwendigkeit einer lückenlosen Stromversorgung aus erneuerbaren Quellen.
Die Erkenntnisse verdeutlichen: Der Umbruch in der Stahlindustrie ist eingeleitet, doch die Umsetzung bleibt ein Kraftakt – technologisch, ökonomisch und politisch. Die Vorteile liegen vor allem in der Dekarbonisierung und globalen Vorreiterrolle, aber auch bei Innovationssprung und Marktpotenzial. Als Nachteil gelten derzeit noch die enormen Investitionskosten, der hohe Bedarf an erneuerbarem Strom und Wasserstoff sowie Unsicherheiten in der Rohstoff- und Energieversorgung. In Zukunft wird erwartet, dass die Kombination aus grünem Wasserstoff, Direktreduktion und Kreislaufwirtschaft zur globalen Blaupause für nachhaltige Industrieprozesse wird. Mensch und Wirtschaft profitieren vor allem durch neue Arbeitsplätze, robustere Wertschöpfung und eine Positionierung als Pionier im internationalen Wettbewerb. Die Hoffnung: Stahl soll nicht mehr als Klimasünder gelten, sondern zur tragenden Säule der Green Economy werden.
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