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Klimafreundliche Stahlherstellung: Deutsche Industrie setzt auf grüne Technologien

Klimafreundliche Stahlherstellung: Deutsche Industrie setzt auf grüne Technologien

Die deutsche Stahlindustrie steht vor einem entscheidenden Wandel: Fast ein Drittel der industriellen CO₂-Emissionen in Deutschland stammen aus der klassischen Stahlproduktion. Wie kann die Branche ihren Fußabdruck signifikant reduzieren? Ein Blick auf Marktführer wie Salzgitter AG zeigt: Der Wandel zu klimafreundlichem Stahl ist keine Zukunftsmusik mehr, sondern Realität mit gewaltigen Investitionen, ambitionierten Klimazielen und technischem Pioniergeist.

Innovationsschub: Wasserstoff als Schlüssel zur Dekarbonisierung

Die Salzgitter AG, einer der größten deutschen Stahlkonzerne, hat sich mit dem SALCOS®-Programm ein ehrgeiziges Ziel gesetzt: Bis 2033 sollen bis zu 95 Prozent der CO₂-Emissionen eingespart werden. Herzstück der Transformation ist die sogenannte Direktreduktion mit grünem Wasserstoff, der Kohle als Reduktionsmittel in der Eisenproduktion ersetzt.

Statt wie bisher Kohle im Hochofen einzusetzen, nutzt das Verfahren Wasserstoff, um Sauerstoff aus dem Eisenerz zu lösen. Es entsteht dabei kein flüssiges Roheisen, sondern ein fester ‚Eisenschwamm‘, der anschließend in einem Elektrolichtbogenofen zu Stahl verarbeitet wird. Dank eines neu errichteten Wasserstoff-Elektrolyseurs und Kooperationen mit Energieunternehmen ist Salzgitter einer der europäischen Vorreiter dieser innovativen Technik (mehr zu Salzgitter und grünem Stahl).

Finanzielle Dimensionen und industriepolitische Herausforderungen

Die Umstellung ist teuer: Allein die erste Phase des Salcos-Programms bei Salzgitter kostet 2,3 Milliarden Euro, wovon ein erheblicher Teil durch staatliche Zuschüsse gedeckt wird. Branchenweit rechnen Experten mit einem Modernisierungsbedarf von bis zu 10 Milliarden Euro bis 2030 und weiteren 30 Milliarden bis 2050 – ein enormer Kraftakt, der von Unternehmen, Politik und Gesellschaft gemeinsam gestemmt werden muss (weitere Hintergründe zu Kosten und Technik).

Die Einsparpotenziale sind jedoch beträchtlich: Durch die Dekarbonisierung ließen sich ein Drittel aller industriellen CO₂-Emissionen Deutschlands vermeiden. Zudem ist Stahl zu 100 % recycelbar – gerade der verstärkte Einsatz von Schrott im sogenannten Elektrolichtbogenofen leistet bereits heute einen relevanten Beitrag zur Emissionssenkung.

Recycling, erneuerbare Energie und technische Grenzen

Etwa 30 Prozent des deutschen Stahls sind heute Recyclingstahl. Dieser wird in Elektrolichtbogenöfen mithilfe von Ökostrom umweltfreundlich erzeugt. Das spart nicht nur CO₂, sondern schont auch Ressourcen. Allerdings können manche Werkstücke mit speziellen Formen oder Anforderungen nicht ausschließlich elektrisch erhitzt werden.

In diesen Fällen kann Wasserstoff bei Hochtemperaturprozessen künftig eine bedeutende Rolle spielen. Neue Anlagen müssen jedoch erst gebaut und alte nachgerüstet werden. Gleichzeitig sind stahlintensive Branchen, wie der Automobil- oder Maschinenbau, stark von einer zuverlässigen Transformation der Stahlproduktion abhängig (Daten zur Wirtschaftsrelevanz).

Kritische Diskussion und Wettbewerbsfähigkeit

Parallel sind deutsche Stahlhersteller mit internationalem Preisdruck und komplexen politischen Diskussionen konfrontiert. So sorgen Handelsstreitigkeiten und US-Zölle auf Stahlimporte immer wieder für Unsicherheit. Solche Hürden unterstreichen die Notwendigkeit gemeinsamer Standards und schnell wirksamer industriepolitischer Flankierung – nur so kann grüner Stahl auf dem Weltmarkt wettbewerbsfähig sein und einen echten Beitrag zum globalen Klimaschutz leisten.

  • Der Investitionsbedarf für die Umstellung ist sehr hoch, aber eine Modernisierung ist dringend notwendig, da ohnehin viele Hochöfen das Lebensende erreichen.
  • Recyclingpotenzial: Stahl kann beliebig oft wiederverwendet werden, was einen zweiten, weniger energieintensiven Weg zur Emissionssenkung eröffnet.
  • Wasserstoff und Ökostrom sind wichtigste Energieträger der Zukunft – deren Verfügbarkeit und Preis bestimmen maßgeblich die Geschwindigkeit der Transformation.

Die Vorteile der klimafreundlichen Stahlherstellung liegen auf der Hand: große CO₂-Einsparungen, Vorreiterrollen auf dem Weltmarkt, zukunftssichere Arbeitsplätze in einer dann modernen Industrie. Allerdings sind fehlende Infrastruktur, hoher Kapitalbedarf und die Notwendigkeit politischer Unterstützung klare Herausforderungen. Zukünftig könnte Deutschland mit grünem Stahl nicht nur seine eigenen Klimaziele erreichen, sondern auch internationale Maßstäbe setzen — vorausgesetzt, die Industrie bleibt wettbewerbsfähig. Profiteure wären nicht nur die Umwelt und die nächste Generation, sondern sämtliche Industriezweige und letztlich auch die Verbraucher durch nachhaltigere Produkte. Entscheidend bleibt, wie schnell Innovation und wirtschaftliche Durchsetzungsfähigkeit in Einklang gebracht werden können.

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