Deutschlands Wirtschaft bleibt im Krisenmodus: Ifo-Institut korrigiert Prognose und warnt vor weiterer Erosion des Standorts
Wie tief sitzt die Krise in Deutschlands Wirtschaft wirklich – und birgt sie Chancen für Anleger? Neue Zahlen des Ifo-Instituts vermitteln ein klares Bild: Das Wachstum bleibt 2025 mit voraussichtlich 0,2 Prozent minimal, Experten sprechen bereits von einer möglichen Erosion des Wirtschaftsstandorts. DAX-Unternehmen wie Siemens, Continental oder BASF zeigen durchwachsene Ergebnisse. Während Exportlastige Unternehmen weiterhin unter Zollpolitik leiden, sind insbesondere Bau- und Konsumbranche stärkeren Belastungen ausgesetzt. Die entscheidende Frage: Gibt es Sektoren oder Aktien, die in diesem Umfeld profitieren könnten, während andere klar auf die Watchlist oder Verkaufsliste gehören?
Ifo-Institut senkt Wachstumsprognose erneut: Gründe und Dynamik
Das Ifo-Institut geht in seiner aktuellen Herbstprognose von einem realen BIP-Wachstum von nur 0,2 % für 2025 aus. Das ist nicht nur ein erneuter Rückgang gegenüber der letzten Prognose (Sommer: 0,3 %), sondern auch ein Ausdruck der anhaltenden Unsicherheit. Noch skeptischer ist das Kieler IfW, das lediglich 0,1 % prognostiziert.
Die Hauptgründe laut Ifo:
- Anhaltende Schwäche im Exportgeschäft: Die US-Importzölle setzen deutschen Exporteuren weiterhin zu; eine Entspannung im transatlantischen Zollkonflikt wird kurzfristig kaum Effekte zeigen.
- Schwache Binnennachfrage: Trotz leichter Reallohnanstiege kann der private Konsum das schwache Wachstum nicht auffangen. Die Konsumlaune hat sich weiter eingetrübt, die Kaufkraftgewinne flachen ab.
- Baukrise drückt die Konjunktur: Besonders der Wohnungsbau steckt weiter in der Rezession. Lediglich der Tiefbau profitiert moderat von staatlichen Infrastrukturinvestitionen.
Neue Impulse – etwa durch die geplanten Infrastruktur- und Verteidigungsausgaben der Bundesregierung – werden erst in den kommenden Jahren signifikant wirksam, da viele Vorhaben noch nicht konkret umgesetzt sind. Auch die Investitionstätigkeit der Unternehmen zeigt sich bislang nur leicht steigend.
Wettbewerbsfähigkeit und Standort: Internationale Belastungen und Risiken
Deutsche Unternehmen berichten laut Ifo-Umfragen von einer
anhaltenden Schwäche beim Auftragseingang und einer Verschlechterung der
internationalen Wettbewerbsfähigkeit. Die Unsicherheit bleibt hoch – auch wenn der Zollkonflikt zwischen den USA und der EU politisch teilweise beigelegt wurde, sind die effektiven Zölle weitgehend unverändert. Das belastet etwa Autobauer (Volkswagen, Mercedes-Benz), Maschinenbau oder Chemie.
- Exportorientierte Branchen wie Automobil, Maschinenbau und Chemieindustrie sehen geringe Wachstumschancen, weil die USA als wichtigster Absatzmarkt noch auf Zöllen beharrt.
- Industriekonzerne mit hohen Energie- sowie Personal- und Regulierungskosten stehen weiter unter Druck.
- Investitionen in Digitalisierung und Dekarbonisierung werden in Teilen verschoben – das verzögert Modernisierungspotenziale.
Der strukturelle Handlungsbedarf ist enorm: Laut Stimmen aus der Industrie und Wissenschaft fehlt es weiterhin an Innovation, digitaler Infrastruktur und an verlässlichen politischen Rahmenbedingungen.
Konsum, Bauwirtschaft und Unternehmenslandschaft: Wer leidet, wer punktet?
Im aktuellen Pressespiegel zeigen sich besonders zwei Leidtragende: die Bauwirtschaft und der private Konsum.
- Wohnbau-Krise: Hohe Zinsen, striktere Bauvorschriften und gestiegene Kosten lassen zahlreiche Projekte platzen. Unternehmen wie Vonovia und LEG Immobilien melden stagnierende oder rückläufige Neubauzahlen und prüfen Portfolioverkäufe.
- Konsumflaute: Handelsunternehmen wie Zalando, Ceconomy oder Adidas verzeichnen geringere Umsätze im Inland. Discountketten und der Lebensmitteleinzelhandel entwickeln sich etwas resilienter.
- Tiefbau und Infrastruktur: Firmen wie Hochtief oder Strabag profitieren von steigenden Ausgaben für öffentliche Verkehrs- und Energienetze.
Die Finanzmärkte haben diese Schwächephasen zunehmend eingepreist. DAX und MDAX notierten zuletzt tendenziell schwächer, defensive Sektoren wie Gesundheit oder IT-Dienstleister hielten sich besser.
Drei zentrale Fakten zur Entwicklung 2025
- Wachstum 2025: nur 0,2 Prozent – damit hinkt Deutschland hinter dem europäischen und globalen Durchschnitt weiter deutlich her.
- Druck auf Export und Bau: US-Zölle und die Baukrise sind zentrale Belastungen, die nicht kurzfristig gelöst werden.
- Konsum und Löhne stagnieren: Die erhoffte Erholung der Verbraucherstimmung bleibt bisher aus.
Empfehlungen: Welche Aktien jetzt kaufen, halten oder verkaufen?
- Kaufen: Defensiv aufgestellte Unternehmen mit Fokus auf Infrastruktur (z.B. Hochtief, Strabag), IT-Dienstleister oder globale Konsumgütermarken mit starker Exportorientierung abseits des US-Markts (z.B. SAP, Beiersdorf).
- Halten: Marktführer aus stabilen Branchen wie Pharma (z.B. Bayer, Merck KGaA), Energieversorger mit Fokus auf erneuerbare Energien (RWE, E.ON).
- Verkaufen oder meiden: Wohn- und Gewerbeimmobilienanbieter (Vonovia, LEG Immobilien), Baukonzerne mit starkem Fokus auf privaten Wohnbau, klassische Konsum- und Einzelhandelswerte mit Deutschland-Fokus (Ceconomy, Adidas), exportabhängige Auto- und Maschinenbauwerte ohne Diversifikation.
Chancen und Risiken für die gesamte Wirtschaft
- Vorteile:
- Der starke Fokus auf Infrastrukturinvestitionen wird mittelfristig Konjunkturimpulse setzen.
- Digitale und nachhaltige Geschäftsmodelle erhalten Auftrieb durch steigende Förderung und gesellschaftliche Nachfrage.
- Die Schwächephase könnte eine notwendige strukturelle Modernisierung anstoßen.
- Nachteile:
- Die Wettbewerbsfähigkeit im internationalen Vergleich nimmt kurzfristig ab.
- Investitionszurückhaltung hemmt Innovation und Produktivität.
- Konsumschwäche und Rezessionstendenzen erhöhen das Risiko steigender Arbeitslosigkeit und sozialer Probleme.
Ausblick: Wohin steuert der Standort Deutschland?
Mittelfristig könnte sich die Erholung verzögern. Das Wachstum wird laut mehrerer Institute 2026 auf 1,3 % und 2027 auf 1,6 % steigen, allerdings nur unter der Voraussetzung, dass die Regierung Impulse tatsächlich wie geplant umsetzt. Die großen Herausforderungen bleiben: Digitalisierung, Energiewende, Transformationsdruck in der Industrie.
Anleger sollten deshalb in den kommenden Quartalen auf defensive Sektoren und gut kapitalisierte Infrastrukturwerte setzen. Investitionen in zyklische, exportorientierte Werte sind mit erhöhtem Risiko verbunden, solange die gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen so angespannt bleiben wie derzeit. Für die Wirtschaft insgesamt steht ein mühsamer, aber potenziell transformierender Aufholprozess bevor. Dabei wird der Standort Deutschland nur dann wieder Auftrieb gewinnen, wenn die politischen und wirtschaftlichen Weichenstellungen rasch und entschlossen erfolgen.



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