Deutsche Wirtschaft im September 2025: Technologische Transformation, Osthandel und Konjunkturimpulse
Die deutsche Wirtschaft stagniert weiterhin – wächst aber behutsam, und gleichzeitig verschieben sich globale Handelsströme und Branchengewichte: Ist jetzt der Einstiegszeitpunkt für Industrieaktien, oder dominieren Technologieunternehmen die Erholung? Welche Märkte sollten Anleger meiden? Antworten liefert ein Blick in die aktuellen Konjunkturdaten und die jüngsten Diskussionen der Wirtschaftspresse.
Stagnation und zaghaftes Wachstum: Die Lage im Überblick
Im September 2025 verharrt die deutsche Wirtschaft in einer Schwächephase. Nach einer auf hohem Niveau anhaltenden Unterauslastung der Kapazitäten bleibt die konjunkturelle Dynamik niedrig: Lediglich 0,1 % BIP-Wachstum gegenüber dem Vorquartal werden für das laufende Quartal erwartet. Die Prognose für das Gesamtjahr 2025 liegt bei minimalen 0,2 % Wachstum, mit etwas höheren Wachstumsbeiträgen erst 2026 und 2027. Belastend wirken schwache Nachfrage, starker globaler Wettbewerb und insbesondere die anhaltenden US-Importzölle auf deutsche Industrieexporte. Die leichte Aufwärtsbewegung bei Unternehmensinvestitionen seit Jahresbeginn bleibt bisher ein Hoffnungsschimmer, auch wenn die Dynamik gering ist.
- Bauwirtschaft: Weiterhin in der Rezession, schwächelnder Wohnungsbau trotz höherer Investitionen in öffentliche Infrastruktur.
- Industrieproduktion: Kurzes Zwischenhoch durch vorgezogene US-Verkäufe im Frühjahr; seither erneut rückläufig.
- Privater Konsum: Erholt sich nur zögerlich und mit abnehmender Kaufkraft.
Ein zentrales Element der weiteren Entwicklung bleibt die Finanzpolitik der neuen Bundesregierung, etwa mit Investitionsanreizen und Verbrauchsentlastung. Entscheidend: Die ifo-Prognose sieht lediglich dann eine echte Erholung, wenn die angekündigten Maßnahmen zügig und konsequent umgesetzt werden.
Globaler Ausblick: Chinas Schwäche und neuer Osthandel
Das Gewicht Deutschlands auf den Weltmärkten verschiebt sich: Während die Exporte nach China weiterhin stark unter Druck stehen und Deutschlands Handelsdefizit mit China auf ein Mehrfaches des Niveaus von 2020 angewachsen ist, erreicht der Osthandel neue Höchststände. Im ersten Halbjahr 2025 legte der Handel mit Ländern in Mittel-, Osteuropa und Zentralasien um 2 % auf 275 Milliarden Euro zu. Bemerkenswert: Die deutschen Exporte in diese Regionen wuchsen, entgegen dem allgemeinen Exporttrend, um 2,2 %.
- China: Rückgang der deutschen Ausfuhren, starkes Wachstum der Einfuhren, Wettbewerbsverzerrung durch Wechselkursmanipulationen.
- Mittel- und Osteuropa: Stärkste relative Zuwächse, wichtigster Treiber deutscher Exportzuwächse 2025.
Drängende Forderung der Industrieverbände ist eine stärkere Integration der ost- und südosteuropäischen Kandidatenländer in den EU-Binnenmarkt, um Wachstumsimpulse und Handelsdiversifikation zu verstetigen. (Hintergrund: Ost-Ausschuss)
Technologiefokus: Wer profitiert vom Strukturwandel?
Technologischer Fortschritt ist in Zeiten konjunktureller Unsicherheit besonders gefragt – und einige Sektoren beweisen sich als resilient:
- Digitalisierungs- und IT-Unternehmen: Profitieren von der wachsenden Nachfrage durch industrielle Transformationsprojekte und den erhöhten Infrastrukturinvestitionen.
Die gezielte Förderrichtlinie der Bundesregierung für Cloud-Services und Automatisierungssoftware gibt Impulse für Marktführer - Rüstungs- und Verteidigungsindustrie: Gewinner durch die Aufstockung der Verteidigungsbudgets (insbesondere durch den neuen Finanzrahmen der Bundesregierung).
- Infrastruktur- und Bauzulieferer: Dank öffentlicher Investitionen auf Wachstumskurs; privater Wohnungsbausektor jedoch weiterhin kritisch.
- Automobilbranche: Belastet durch globale Konkurrenz, insbesondere durch günstige E-Fahrzeuge aus Asien. Deutsche Premiummarken verlieren weiter Marktanteile im Ausland.
Kursziele: Welche Aktien kaufen, halten oder verkaufen?
Vor dem Hintergrund der aktuellen Prognosen und Strukturverschiebungen zeigen sich folgende Empfehlungen für Anleger:
- Kaufen:
Technologieunternehmen aus den Bereichen Cloud-Lösungen, Automatisierung, Verteidigungstechnik (wie SAP, Siemens, Rheinmetall) sowie Spezialanbieter für öffentliche Infrastruktur. - Halten:
Exportorientierte Industriewerte mit Schwerpunkt auf Mittel- und Osteuropa, etwa Unternehmen mit starkem Osthandelsbezug (z. B. BASF, Linde), die im neuen Wachstumsraum Marktanteile gewinnen. - Verkaufen:
Aktien aus konjunktursensitiven Branchen wie der traditionellen Automobilindustrie und private Baukonzerne ohne Diversifizierung in Infrastruktur. Auch stark China-abhängige Einzelwerte stehen weiter unter Druck.
Vor- und Nachteile für die Gesamtwirtschaft
- Vorteile:
- Technische Innovation beschleunigt Strukturwandel, sichert langfristig Wohlstand durch neue Wertschöpfungsmodelle.
- Handelsdiversifizierung (mehr Fokus auf Osteuropa) erhöht Resilienz gegen geopolitische Schocks.
- Gezielte Fiskalpolitik fördert Erholung, wenn sie zuverlässig umgesetzt wird.
- Nachteile:
- Schwache Nachfrage bremst Erholung, insbesondere im Bereich Konsum und privater Bau.
- Hohes Defizitniveau und steigende Staatsverschuldung könnten zukünftigen Spielraum für Investitionen limitieren.
- Exportorientierte Unternehmen mit starker China-Abhängigkeit in anhaltender Unsicherheit.
Ausblick: Wohin entwickelt sich die deutsche Wirtschaft?
Eine echte Erholung ist erst dann zu erwarten, wenn sowohl die angekündigten fiskalischen Maßnahmen als auch die Integration neuer Märkte im EU-Binnenmarkt entschlossen umgesetzt werden. Die Prognose bleibt vorsichtig optimistisch für 2026 und 2027 mit erwarteten Wachstumsraten von 1,3 % bzw. 1,6 %. Die strukturelle Transformation (Technologie, Infrastruktur, Rüstung) dürfte die führenden Wachstumsbranchen liefern, während der Konsum- und Bausektor tendenziell zurückbleiben.
Die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands hängt langfristig davon ab, technologische und geopolitische Herausforderungen in innovative Angebote und resiliente Handelsbeziehungen zu übersetzen.
Empfehlung: Anleger sollten sich an langfristigen Trends ausrichten – Technologie, Smart Infrastructure und Osthandel bieten Chancen, während zyklische Konsum- und Automotive-Werte weiterhin eher gemieden werden sollten. Politische Schnellschüsse und kurzfristige Konjunkturpakete sind weniger bedeutsam als nachhaltige Strukturreformen und Innovationsförderung.
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