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Automobilindustrie im Spannungsfeld der US-Zölle: Von kurzfristigen Entlastungen bis anhaltender Unsicherheit

Automobilindustrie im Spannungsfeld der US-Zölle: Von kurzfristigen Entlastungen bis anhaltender Unsicherheit

US-Zölle als Spielball für die Automobilindustrie

Stahl und Aluminium sind die Grundpfeiler moderner Fahrzeugproduktion. Nach Monaten mit drohenden Strafzöllen auf Stahl- und Aluminiumimporte bewegt sich der Markt 2025 in einem volatilen Umfeld. Die jüngsten US-Entscheidungen, Zölle kurzzeitig abzuschwächen und dann wieder drastisch anzuheben, lassen internationale Automobilhersteller wie Volkswagen oder GM schwanken zwischen Hoffnung und Sorge. Welche Folgen hat das für die Produktion, Preise und die Wertschöpfungsketten global agierender Unternehmen? Wie wirkt der Zickzackkurs von Washington auf Investitionsentscheidungen?

Wie die neuen US-Zölle Stahl und Aluminium verteuern – und doch kurzfristig Entlastung boten

In einer Phase der Entspannung senkten die USA im Mai 2025 kurzzeitig die Zölle auf chinesische Waren – ein Schritt, der für deutsche Autohersteller mit Werken in den USA und für Zulieferer auf beiden Seiten des Atlantiks kurzfristig etwas Erleichterung brachte. Doch dieser Effekt verpuffte schnell: Schon zum 4. Juni 2025 wurden die Tarife für sämtliche Stahl- und Aluminiumimporte – ausnahmslos aus allen Ländern außerhalb Großbritanniens – von 25 % auf 50 % verdoppelt. Diese Sprunghaftigkeit führt zu massiven Preissteigerungen bei Rohstoffen und belastet die Kalkulationen der Hersteller erheblich. Der Rohstoff-Aufschlag betrifft nicht nur US-Fabriken von BMW, Mercedes-Benz und Toyota, sondern auch nordamerikanische Zulieferketten, die zwischen Kanada, Mexiko und den USA pendeln.

Wirtschaftliche Auswirkungen: Profitiert die US-Autobranche wirklich?

Die Realität ist facettenreich. Laut einer aktuellen Studie des IfW Kiel verursachen die Zölle kurzfristig einen Rückgang des BIP in den USA und drücken auch auf den Export. So könnten US-Exporte um rund 1,4 % zurückgehen und das Bruttoinlandsprodukt um 0,04 % sinken. Am stärksten betroffen sind rohstoffintensive Industriebranchen wie der Automobilsektor.

  • Für US-Autobauer steigen die Kosten für Produktionsmaterial massiv. Sie sind auf Importe angewiesen, weil das inländische Angebot oft nicht ausreicht oder teurer ist.
  • Für europäische OEMs mit Werken in den USA oder Exportbeziehungen entsteht eine Unsicherheitsprämie. Langfristige Kalkulationen werden zum Glücksspiel.
  • Unternehmen könnten gezwungen sein, Teile ihrer Zulieferketten neu zu strukturieren oder gar Produktionsstandorte zu verlagern, was arbeitsmarktpolitisch zusätzliche Risiken schafft.

Globale Lieferketten erodieren und Strafmaßnahmen treffen Verbündete

Kritik kommt dabei nicht nur aus Europa: Auch kanadische und mexikanische Werke von Ford und Stellantis geraten unter Druck, denn nun gilt der hohe US-Zoll auch für sie. Zwischenzeitliche Ausnahmen der NAFTA-Nachbarn wurden gestrichen. Damit geraten grenzüberschreitende Supply Chains – ein Erfolgsmodell seit Jahrzehnten – ins Wanken. Laut IHK Karlsruhe fallen für Stahl- und Aluminium-Importe aus Kanada und Mexiko seit Juni 2025 ebenfalls 50 % Zoll an, eine Belastung, die indirekt auf europäische Hersteller mit Werken dort zurückfällt.

Zukunftsperspektiven und neue Handlungsspielräume

Die Hoffnung auf dauerhaft niedrigere Zölle bleibt schwach. Zwar wurden im Zuge eines kurzfristigen Abkommens mit China die Tarife temporär gesenkt, jedoch laufen diese Maßnahmen nur für 90 Tage. Verschärfend kommt hinzu, dass sich die US-Regierung vorbehält, die Zölle zu überprüfen und gegebenenfalls erneut anzupassen. Die Südeutsche Zeitung und Industrieverbände haben mehrfach kritisiert, dass dieser Kurs die Planbarkeit für Investitionen fundamental erschwert.

Angesichts der Unsicherheit fordert der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) politische Initiativen zur Stabilisierung des transatlantischen Handelsumfelds und warnt: „Ein so erratischer Kurs schadet nicht nur unseren Unternehmen, sondern auch den Perspektiven für Innovationen und den Arbeitsplätzen auf beiden Seiten des Atlantiks.“

Fallbeispiel: Wie Unternehmen reagieren

General Motors (GM) musste nach eigenen Angaben die Einkaufspreise für Stahl um bis zu 40 % nach oben korrigieren – mit direkten Auswirkungen auf die Marge. Volkswagen berichtet von erheblich gestiegenen Produktionskosten für seine US-Passat-Modelle. BMW prüft, Teile seiner Auslandsproduktion nach Asien oder Osteuropa zu verlagern, statt wie geplant in den USA weiter auszubauen.

  • Auch Zulieferer wie Thyssenkrupp oder ArcelorMittal verweisen auf Unsicherheiten: Kurzfristige Gewinnmöglichkeiten durch Preissteigerungen stehen drohenden Auftragsverlusten gegenüber, sollte die Nachfrage der Autobauer einbrechen.
  • Für Kunden bedeutet dies: Autos könnten teurer werden oder es drohen längere Lieferzeiten.

Die Bilanz ist gemischt: Die vorübergehende Abschwächung der US-Zölle schuf eine kurze Phase der Erleichterung und bot internationalen Autokonzernen einige Handlungsspielräume. Doch die erneute Verschärfung mit 50 % Zoll nivellierte diese Vorteile rasch. Mittel- bis langfristig überwiegen die Risiken: Produktionskosten steigen, Lieferketten werden instabil, Standortsicherheit geht verloren – und Konsumenten zahlen am Ende die Zeche, sowohl in den USA als auch weltweit. Die Erwartungen stützen sich auf die Hoffnung, dass künftig mehr Planbarkeit und multilaterale Handelsabkommen zurückkehren. Realistisch müssen aber alle Akteure mittelfristig mit einem hohen Maß an Unsicherheit und raschem Handlungsdruck rechnen. Die Automobilindustrie muss ihre internationale Produktion flexibel und agil auf Neue Handelsbarrieren ausrichten, um weiterhin wettbewerbsfähig zu bleiben.

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