Deutsche Industrie verliert massiv an Wettbewerbsfähigkeit: Chemie und Maschinenbau in der Krise
Der jüngste Einbruch der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie sorgt für Unruhe an den Märkten. Zahlen des ifo-Instituts bestätigen, was viele Aktionäre bereits befürchten: Im Oktober 2025 meldeten 36,6 Prozent der Unternehmen einen Rückgang gegenüber Wettbewerbern außerhalb der EU – ein historischer Tiefpunkt. Besonders betroffen sind die Chemiebranche und der Maschinenbau. Welche Unternehmen können sich jetzt behaupten, und wie sollten sich Investoren strategisch positionieren?
Strukturelle Krise statt vorübergehender Schwäche
Laut ifo-Umfrage erreicht die Krise der deutschen Industrie einen neuen Höhepunkt. Noch nie seit Beginn der Erhebungen sahen so viele Betriebe ihre Wettbewerbsfähigkeit international derart unter Druck wie jetzt. Die Gründe sind vielfältig:
- Energieintensive Branchen wie Chemie, Maschinenbau und Elektrotechnik verzeichnen eine besonders starke Verschlechterung. In der Chemieindustrie melden inzwischen mehr als die Hälfte der Unternehmen einen Substanzverlust bei der Wettbewerbsfähigkeit.
- Der Anteil der Unternehmen mit rückläufiger Konkurrenzfähigkeit im Maschinenbau liegt bei rund 40 Prozent – ein Wert, der auch für die ifo-Experten überrascht hoch ausfällt.
- Auch im Vergleich innerhalb der EU sehen sich Deutschlands industrielle Kerne auf dem absteigenden Ast: 21,5 Prozent nannten hier einen Verlust, im Sommer waren es noch 12 Prozent.
Investitions- und Energieumfeld als Hauptbremse
Die Mehrzahl der Unternehmen führt steigende Energiepreise, regulatorische Unsicherheiten und eine belastende Steuer- und Abgabenlast als Gründe für die Verschlechterung an. Das Forschungsinstitut unterstreicht die Notwendigkeit für tiefgreifende Reformen, um die industrielle Substanz zu sichern. Bundeswirtschaftsministerin Reiche spricht von der Notwendigkeit einer „Agenda 2030“ und warnt ebenfalls vor gravierenden Fehlinvestitionen, sollten Innovationstreiber abwandern oder ausbleiben.
Fallbeispiele und aktuelle Insolvenzwelle
Nicht nur die allgemeine Stimmung, auch die Faktendichte wächst: Zwischen Januar und September 2025 ist die Zahl der Großinsolvenzen im Maschinenbau um 30 Prozent gestiegen. Die Metallindustrie trifft es mit sogar 79 Prozent mehr Pleiten besonders hart. Große Namen wie BASF oder Siemens Energy gerieten aufgrund ausbleibender Margen unter Druck. Mittelständische Zulieferer kämpfen ebenfalls ums Überleben, während Wettbewerb aus Asien und den USA von günstigeren Standortbedingungen profitiert.
Reaktionen und strategische Optionen für Investoren
- Aktien von klassischen Chemieriesen wie BASF oder Covestro leiden unter dem hohen Margendruck und der Abwanderung von Produktion. Ein Verkauf erscheint bei mangelnder Erholungsperspektive weiterhin sinnvoll, während kleinere Spezialchemie-Unternehmen, die sich auf innovative Lösungen und Exportmärkte fokussieren, Haltekandidaten bleiben.
- Im Maschinenbau geraten Titel von Anlagenbauern wie Krones oder GEA Group zunehmend unter Druck. Wer stark in Schwellenländern engagiert ist, etwa Siemens oder die Maschinenbausparte von Bosch, könnte vom globalen Wachstum profitieren; dennoch empfiehlt sich eine defensive Strategie.
- Versorger und Industrieunternehmen mit Fokus auf erneuerbare Energien (z. B. RWE, Siemens Energy), die von der Energiewende profitieren, zeigen sich im Portfolio robuster.
Chancen und Risiken für die Gesamtwirtschaft
- Vorteile entstehen aus dem Reformdruck: Standortanpassungen, Digitalisierung, Automatisierung und ein massiver Investitionsschub für grüne Technologien könnten den Strukturwandel begleiten und langfristig Wachstumsimpulse setzen.
- Nachteile liegen in kurzfristigen Jobverlusten, einem möglichen Bedeutungsverlust Deutschlands im internationalen Wettbewerb, sowie erhöhten Insolvenzen im Mittelstand. Die Abwanderung wertschöpfender Industriezweige könnte Drehscheiben wie Nordrhein-Westfalen oder Baden-Württemberg treffen, wodurch regionale Ungleichgewichte wahrscheinlicher werden.
Ausblick: Bleibt die deutsche Industrie ein globaler Player?
Prognosen für die kommenden Jahre zeigen wenig Hoffnung auf kurzfristige Besserung. Ohne weitreichende Standortreformen und eine Entlastung bei Energie- und Lohnkosten droht die deutsche Industrie, vor allem Maschinenbau und Chemie, weiter an Boden zu verlieren. Neue Hoffnungsträger sind Unternehmen, die sich konsequent auf Digitalisierung und grüne Technologien einstellen oder durch internationale Ausrichtung breiter aufstellen.
Anleger sollten derzeit Aktien klassischer Chemie- und Maschinenbauunternehmen mit großer Vorsicht begegnen; Rücksetzer und strukturelle Probleme machen Verkäufe in diesen Sektoren sinnvoll, während Nischenplayer mit positiver Innovationsbilanz Halt- oder gar Kaufkandidaten sein können. Der große Gewinner könnte am Ende die grüne Energiewirtschaft sein, die sich nicht nur den Herausforderungen, sondern auch den Chancen der Transformation stellt. Für die Gesamtwirtschaft bleiben kurzfristige Risiken hoch, doch mittelfristig bieten sich Chancen, wenn die Weichen jetzt richtig gestellt werden.



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