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EU-China-Gipfel: Handelspolitik, Seltene Erden und Europas Suche nach Unabhängigkeit

EU-China-Gipfel: Handelspolitik, Seltene Erden und Europas Suche nach Unabhängigkeit

Knapp eine Million Tonnen seltener Erden werden weltweit pro Jahr gefördert – mehr als 80 Prozent davon stammen aus China. Während Europas Wirtschaft technisch immer abhängiger von kritischen Rohstoffen wie seltenen Erden wird, wächst die Sorge vor Lieferengpässen und Marktdominanz. Im Rahmen des aktuellen EU-China-Gipfels in Peking wurden die strategischen Herausforderungen und der Druck, Europas Abhängigkeit von China zu reduzieren, zum topaktuellen Verhandlungsgegenstand. Angesichts der internationalen Spannungen stellen sich viele die Frage: Ist die EU bereit, beim Zugang zu diesen Rohstoffen unabhängiger zu agieren?

Gipfelergebnisse: Symbolik statt Durchbruch

Beim EU-China-Gipfel am 24. Juli 2025 wurden die Erwartungen im Vorfeld bereits als gering eingeschätzt. Laut Experten und Presseberichten reichte es beim Treffen nur für den „kleinsten gemeinsamen Nenner“. Ein „verbesserter Dialogmechanismus zur Ausfuhrkontrolle“ wurde vereinbart, um die Vergabeprobleme bei seltenen Erden und Permanentmagneten künftig schneller identifizieren zu können. Konkrete Zusagen von Peking bleiben jedoch aus – auch, weil China Exportkontrollen zuletzt als „keine Bedrohung“ bezeichnete und Europas Sorgen um Abhängigkeiten herunterspielte. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sieht die Beziehungen an einem Wendepunkt: Europa fordert marktwirtschaftliche Gegenseitigkeit, weniger Handelsverzerrungen und mehr Marktzugang für europäische Unternehmen in China (Finanzen.net).

Strategische Rohstoffe im Fokus der Handelsbeziehungen

Im Zentrum der Auseinandersetzung stehen Seltene Erden und andere kritische Rohstoffe, die für Hightech-Produkte – von Windkraftanlagen bis Elektroautos – essenziell sind. Für Europa ist die Beschaffungssicherheit direkt mit der wirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit verbunden. Aktuell stammen nahezu alle in Europa genutzten Seltenerd-Metalle direkt oder indirekt aus China. Immer wieder gab es in den vergangenen Jahren Diskussionen über chinesische Exportbeschränkungen, die global für starke Preisschwankungen gesorgt haben. China wiederum beklagt neue EU-Zölle auf chinesische E-Autos oder Medizintechnik und sieht sich zu Unrecht benachteiligt (Der Spiegel Wirtschaft).

Europas Gegenmaßnahmen: Diversifikation, Recycling und eigene Förderung

  • Wiederaufbau einer eigenen Förderindustrie: Die EU fördert die Exploration von Seltenerd-Vorkommen, etwa in Skandinavien oder Spanien. Bisherige Förderungen sind jedoch ökologisch und wirtschaftlich kaum konkurrenzfähig zum chinesischen Markt.
  • Recycling-Initiativen: Europa setzt zunehmend auf das Recycling ausgedienter Elektronik. Die Rückgewinnung von Metallen wie Neodym oder Dysprosium steckt aber noch in den Kinderschuhen und ist kostenintensiv.
  • Tiefere Partnerschaften: Die EU verhandelt mit alternativen Lieferantenländern wie Australien, Kanada und einigen afrikanischen Staaten. Liefermengen und die erforderliche Infrastruktur sind jedoch limitiert.

Geopolitische Interessen und internationale Spannungen

Der Gipfel fand vor dem Hintergrund zahlreicher geopolitischer Kontroversen statt: Neben den Handels- und Rohstofffragen prägen Sanktionsmaßnahmen gegen chinesische Unternehmen (wegen deren Rolle im Russlandgeschäft) sowie Chinas eigene Investitionsbeschränkungen die Atmosphäre. Gleichzeitig versucht Europa, durch Regulierung und wirtschaftliche Initiative mehr Resilienz in den Lieferketten zu erreichen. Die Handelsströme sind aus europäischer Sicht zunehmend unausgewogen: Die EU macht 14,5 % aller chinesischen Exporte aus, während nur 8 % der EU-Exporte nach China fließen (Deutschlandfunk Presseschau).

Marktdynamik und beispielhafte Unternehmen

Sowohl große Technologie- als auch Automobilunternehmen wie Siemens, Volkswagen und BASF sind massiv auf sichere Lieferketten für Seltene Erden angewiesen. Auch Start-ups und Mittelständler, etwa in der Windkraft- und Batterietechnik, sind zwangsläufig von den Entwicklungen betroffen. Zwischen Innovation und Abhängigkeit suchen viele nach Alternativen jenseits des chinesischen Marktes. Die Instabilität der Rohstoffpreise und politische Unsicherheit führen bereits dazu, dass Investitionen in alternative Rohstoffprojekte steigen – wenngleich sie den Bedarf bei weitem noch nicht decken können.

Zukunftsperspektiven, Chancen und Risiken

  • Wird sich Europa durch verstärkte Diversifikation und Recycling aus der Abhängigkeitsfalle lösen?
  • Welche Rolle spielen strengere Zoll- und Handelsmaßnahmen für die technologische Souveränität?
  • Werden Innovation und steigende Preise neue Akteure auf den Plan rufen?

Die wichtigsten Vorteile eines konsequenten eigenen Kurses wären:

  • Weniger Anfälligkeit für politische Einflussnahme und kurzfristige Lieferausfälle.
  • Diversifizierte Wertschöpfungsketten und höhere technologische Eigenständigkeit.
  • Stärkung europäischer Umweltstandards beim Abbau und Recycling.

Herausforderungen zeigen sich bei:

  • Hohen Investitionskosten für neue Abbau- und Recyclinganlagen.
  • Langwierigen Genehmigungsverfahren und Umweltauflagen in der EU.
  • Preisdruck und Wettbewerbsfähigkeit im Vergleich zur chinesischen Industrie.

Die großen Hoffnungen richten sich darauf, dass Europa in den kommenden Jahren strategisch in eigenständige Lieferketten, Innovation und Partnerschaften investiert. Gelingen Skaleneffekte im Recycling sowie Marktzugang zu neuen Förderländern, kann dies langfristig wirtschaftliche Resilienz schaffen und Abhängigkeiten abbauen. Kurzfristig bleibt Europa aber weiterhin auf einen konstruktiven Dialog und die Verlässlichkeit internationaler Partner angewiesen. Mittel- bis langfristig hofft die Wirtschaft vor allem auf Planungssicherheit und faire Wettbewerbsbedingungen, um zukunftsfähig und nachhaltig wachsen zu können.

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